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Bach-Passionen lehren Demut

MAINZ (1. März 2022). Zwei Jahre lang verhinderte Corona, dass das Konzertleben normal stattfinden konnte. Vor allem für Sänger, die in der Passions- und Weihnachtszeit verstärkt Engagements wahrnehmen, war dies sowohl künstlerisch als auch finanziell ein empfindlicher Einschnitt. Der Tenor Christian Rathgeber singt in Mainz demnächst die Passionen von Johann Sebastian Bach. Im Gespräch mit dieser Zeitung berichtet er, warum gerade diese Musik ihm so wichtig ist.

Herr Rathgeber, die Johannes- und Matthäuspassion Bachs gehören zum Standardrepertoire eines klassischen Sängers. Was bedeutet es Ihnen, sie endlich wieder in Konzerten singen zu dürfen?

Christian Rathgeber: Diese Musik in der Passions- oder Osterzeit aufzuführen ist eine Jahrhunderte alte Tradition, die von den Künstlern wie vom Publikum sehr bewusst er- und gelebt wird. Die Geschichte vom Leiden Jesu derart musikalisch darzubieten war bislang eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Umso größer war der Schock, dass Corona die Pflege dieser Tradition so brutal unterbrochen hat. Jetzt endlich wieder mit einem Chor und einem Orchester auf der Bühne stehen zu dürfen, in einem Konzertraum wie dem Dom oder der Christuskirche, ist eigentlich ein unbeschreibliches Gefühl, denn Chormusik war ja quasi verboten. Allein die Vorfreude auf diese Konzerte ist übergroß und motivierend.

Normalerweise müssen Sie die Werke nicht immer wieder neu einstudieren. Wie ist es nach zwei Jahren Pause?

Christian Rathgeber: Natürlich erfordert es die Professionalität, sich auf Konzerte individuell vorzubereiten. Aber tatsächlich halte ich es nach dieser langen Pause für unbedingt notwendig, sich erneut und genau mit dem Notentext zu befassen. Es geht nicht nur um Intervalle oder Koloraturen, sondern auch um den zu transportierenden Inhalt. Und natürlich ist eine Bach-Passion auch stimmlich und damit körperlich sowie von der Konzentration her eine immense Herausforderung an die Interpreten. Ich konnte in den vergangenen Monaten zwar Konzerte singen, aber ein Werk dieser Größenordnung ist jetzt tatsächlich wieder etwas „Neues“: Die Musik muss aufgefrischt, vielleicht sogar ein Stück weit neu entdeckt werden. Man muss dabei mit seinen Kräften haushalten – und das gerade in diesen Tagen: Trotz dreifacher Impfung hatte auch ich Corona und merke, wie man doch schneller außer Atem kommt. Insofern ist die Vorbereitung auf die beiden Bach-Passionen für mich als Evangelist eine spannende Herausforderung.

Warum, glauben Sie, stehen Bachs Passionen jedes Jahr auf dem Spielplan?

Christian Rathgeber: Die Erzählung des Leidens Christi ist von Bach in beiden Werken so perfekt dargeboten, dass er die Zuhörer einfach in seinen Bann schlägt. Es gehört schlichtweg zur evangelischen und auch zur katholischen Tradition, dass diese Werke aufgeführt werden. Übrigens lassen sich mit einer gelungenen Interpretation auch kirchen- oder sogar glaubensferne Menschen erreichen.

Was bedeuten Ihnen Bachs Passionen ganz persönlich?

Christian Rathgeber: Ich komme aus einem sehr musikalischen, evangelischen Elternhaus. Daher und aus meiner Zeit im Windsbacher Knabenchor sind mir diese Stücke bekannt. Sie begleiten mich seit Kindheitstagen und haben mich tief geprägt. Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal die Passionen singen durfte: damals im Chor oder auch als Solist. Bei der Johannespassion war das übrigens auch in Mainz, 2009 dirigiert von Felix Koch; ein Jahr später folgte dann in Koblenz die Matthäuspassion – beide noch als Student. Seitdem singe ich sie regelmäßig und es bedeutet mir unglaublich viel, diese Werke heute als Oratoriensänger deutschlandweit darbieten zu dürfen. Denn bei allem Selbstbewusstsein als Solist lehren sie einen auch immer wieder ein Stück weit Demut.

Am 3. April um 17 Uhr musizieren Domkantorei und Domorchester unter der Leitung von Karsten Storck die Johannespassion von Bach. Karten hierfür gibt es im Infoladen des Bistums (Telefon: 06131 253888) sowie in der Dominformation am Markt 10 (06131 253412). Die Matthäuspassion kommt in Mainz am Karfreitag, den 15. April um 18.30 Uhr zur Aufführung, dann mit dem Bachchor und Bachorchester, Dirigent ist Ralf Otto (Kartenhotline: 0800 22242467).

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