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Die Flöte lässt dann doch die Seele tanzen

MAINZ (21. Januar 2013). Nach gefühlten „50 bis 100 Jahren“, so ein Bandmitglied, ist die irische Folk-Combo „Clannad“ endlich wieder in Mainz. Man nimmt ihm dies sofort ab, denn selbst hat man an diesem Abend bereits ähnliches erlebt…

Doch der Reihe nach: Pünktlich um 20 Uhr betritt die einköpfige Vorgruppe die Bühne. Mit Seth Lakeman steht zugegebenermaßen ein Teufelsgeiger da, dessen Stampffiedeln allerdings schnell an Redundanz gewinnt. Zur Auflockerung wird er, der auch singt und klampft, zuweilen von einem Gitarristen begleitet. Seine thematisch meist von Meerwasser durchtränkten Lieder stimmen einen allerdings auf einen schönen Folkabend ein – hier, in des Meenzers „gut‘ Stubb“.

Vor notdürftig verhängten närrischen Insignien – hinter dem roten Tuch lugen Till, Schnorreswackler und Ranzengardist hervor, steht bereits „Clannads“ Instrumentarium und macht neugierig. Doch die Dramaturgie des Abends legt der Spannung straff gezogenes Zaumzeug an. Nach Seth Lakemans Abtritt passiert nämlich erst mal: nichts.

Eine geschlagene halbe Stunde lang darf das Publikum auf seine Stars warten – und es tut dies stoisch. Zu „Horse with no name“ von „America“, Simon & Garfunkels „El Condor Pasa“ und „Something in the way she moves“ von James Taylor aus der Konserve darf man einem Heer von fleißigen Bühnenarbeitern beim Nachrüsten zuschauen.

Während die Uhr langsam aber sicher auf die neunte Stunde vorrückt wird verkabelt, gestimmt, ein Strippenzieher bringt Getränke, Handtücher und Harfe, Nebelmaschine und Mikrofone werden getestet, Scheinwerfer justiert. Interessant das alles – aber nach wenigen Minuten auch langweilig. Immerhin bekommt man was geboten für sein Eintrittsgeld – wenn auch vorerst nicht das eigentliche Objekt der Begierde.

Dann aber betritt ebendies die Bühne und wird von den Fans frenetisch begrüßt: Was lange währt, wird also doch endlich gut. Denn das Konzert – eines von neun in Deutschland – gelingt, wenn man sich das vierfarbbunte Interieur des ohnehin als Konzertort alles andere als erste Adresse geltenden Kurfürstlichen Schlosses wegdenkt. „Clannads“ Musik lädt zum Glück unmittelbar dazu ein: zum Träumen, zum Versinken in den eingängigen Klängen der irischen Folkmusik.

Die Musiker von „Clannad“ um Máire Né Bhraonáin, besser bekannt als Moya Brennan, sind eine nicht nur musikalische Familie – und dieses Band fesselt auch ihr Publikum, wenn Moyas Harfentöne auf die satte Bassgrundierung rieseln, ihre warme Stimme sich sanft und weich auf die Gitarrenriffs bettet. Auch a cappella angestimmt fluten die Balladen durchs Auditorium, das sich von den Liedern auf einer Welle des Wohlbehagens tragen lässt.

In kurzen Anmoderationen übersetzen die Künstler das kehlige Irisch und intonieren auch englischsprachige Songs: „Damit ihr auch mal was versteht“ – zum Beispiel „Something to believe“, Verse aus den spannungsgeladenen 80er Jahren auf der grünen Insel. Exzessiv ist an diesem Abend aber nur die Intensität, mit der „Clannad“ in die Musik eintaucht und die Fans mitzieht, wenn Gitarrenklänge und Keyboard-Akkorde in die Ferne weisen und die Tin-Whistle die Seele tanzen lässt. Das Warten hat sich also durchaus gelohnt.

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