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Blue Notes bei Bach

WIESBADEN (25. Juli 2012). Jacques Loussier pausiert gesundheitsbedingt und sagte seine Auftritte für dieses Jahr ab. Das betraf jetzt leider auch das Rheingau Musik Festival, zu dem sich der große französische Pianist mit zwei Veranstaltungen angemeldet hatte.

Der Ausfall der Gesprächsreihe „Rendezvous mit…“ dürfte das Publikum dabei vielleicht mehr geschmerzt haben als die Umbesetzung des Konzerts am Folgetag im Wiesbadener Kurhaus. Hierfür hatte man nun das David Gazarov Trio verpflichten können. Und Gazarov vertrat bereits den erkrankten Loussier in dessen Trio an der Seite von Benoît Dunoyer de Segonzac und André Arpino. Eine würdige Vertretung also.

Im Wiesbadener Kurhaus gab es „Bachology“ oder wie es das Programmheft versprach: „Play Bach, next generation“ – damit indes nicht zu viel, denn David Gazarov fühlt sich seinem Vorbild und Kollegen Loussier verpflichtet ohne ihn zu kopieren: „Das kann man nicht und außerdem wäre das sehr dumm.“ Und so erinnern seine Arrangements nur in zwei Dingen denen des Franzosen: Auch er beginnt oft mit dem Original, findet dann den swingenden Moment im Barocken oder Klassischen, umkreist ihn stilistisch, entfernt sich, nähert sich an um wieder zum Ursprung zurückzukehren. Und auch er liebt Bach.

An diesem Abend hört man Klassiker: Der Choral aus der Kantate „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ oder die „Air“ aus der dritten Orchestersuite. Dieses Stück widmet Gazarov dem erkrankten Maître: Ein aufgelöster Cluster und dann erklingt jene wundervolle Melodie, die Gazarov nur leicht rhythmisch aufraut und mit fesselnder Dynamik gestaltet. Oder das berühmte Menuett in G-Dur aus dem „Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach“: Mit Guido May (Drums) und Rocky Knauer (Bass) hat Gazarov zwei Künstler an seiner Seite, die sich wie er in die barocke Vorlage einfühlen; gerade diese kleine Miniatur, vom Pianisten liebevoll „Moments of Annas life“ genannt, zeigt, wie zärtlich sich das Trio der Musik Bachs annimmt. Die Klänge scheinen zu schweben, die Themen werden aufgenommen und weitergereicht; May setzt dabei seine perkussiven Akzente wie ein Maler, der seine leuchtenden Pinselstriche zieht.

Bach bestimmt den ersten Teil, den Gazarov mit einer eigenen Solo-Gigue bereichert: Da flirrt das Spiel mit den Akkorden, da wird über dem Bassmotiv parliert, dass es eine Freude ist. Und auch das Gospel-Crossover von Oscar Peterson, seine berühmte „Hymn to freedom“ lässt Gazarov als das glänzen, was er ist: ein begnadeter Jazz-Pianist, der die Musik graziös zu seiner eigenen macht.

Das gilt auch für Frédéric Chopins Œuvre, dem der zweite Part des Konzerts gewidmet ist. Der „Minutenwalzer“ Nr. 6 Des-Dur aus Opus 64, die Etüde Nr. 6 aus Opus 10 und vor allem die F-Dur Nocturne aus Opus 15: Hier begegnet Gazarov mit weicher Bassbegleitung der hektischen Betriebsamkeit der Drums und umgarnt sie in einem filigranen Blues: Ruhe kehrt ein, der Tag ist zu Ende.

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