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Hohe Ansprüche an sich selbst

MAINZ (17. Februar 2012). Der Gründung der Domkantorei im Jahr 1987 durch Domkapellmeister Mathias Breitschaft liegt ein geradezu solidarisches Ansinnen zugrunde: Noch bevor der Dirigent des Domchores sein Amt antrat, registrierte er, dass die Knaben als einziges Vokalensemble am Dom mit ihren wöchentlichen Auftritten in den Gottesdiensten und Vespern zu eingespannt waren, um langfristig Qualität und eine gewisse Breite in der Chorliteratur erreichen zu können.

Also machte er es noch vor der Unterzeichnung seines Arbeitsvertrages zur Bedingung, dass zur Entlastung des Domchors ein weiteres Ensemble installiert wird. Doch das musste erst Mal gegründet werden und nach zwei Jahren im Amt probte vor 25 Jahren erstmals die Domkantorei St. Martin: anfangs mit rund 40 Sängerinnen und Sängern, die jedoch schnell auf über 80 anwuchsen, denn Qualität und Anspruch des neuen Chores sprach sich herum.

Das erste Konzert – Haydns „Schöpfung“ gemeinsam mit dem Domchor – war bereits ein halbes Jahr nach Gründung ein großer Erfolg. Heute zählt die Domkantorei rund 100 Sängerinnen und Sänger, wobei ein Großteil der Männerstimmen ehemalige Domchormitglieder sind. Besonders freut sich Breitschaft auch über erste junge Damen aus dem Mädchenchor am Dom und St. Quintin, die nach ihrer Zeit im Jugendensemble gerne weiter singen möchten.

Das Repertoire der Domkantorei umfasst die gesamte gängige Chorsinfonik: Nicht nur zu entsprechenden Jubiläen führte man die Gesamtwerke der geistlichen Vokalmusik von Bruckner oder Palestrina auf und sang Stücke von Bach, Händel und Schütz. Auf dem Programm standen mitunter äußerst selten zu hörende Werke wie von Mainzer Hofkomponisten. Mit diesem Chor kann Breitschaft auch anspruchsvolle zeitgenössische Chorliteratur musizieren, worauf ein großer Akzent gesetzt wird: Von den 30 Uraufführungen, die der Domkapellmeister in seiner Mainzer Zeit dirigierte, wurden rund 20 mit der Domkantorei realisiert.

Darüber hinaus bestehen enge Kontakte zu den Klangkörpern der Region, darunter die Rheinische Philharmonie Koblenz, die Staatsphilharmonie Rheinland Pfalz, das Mainzer Kammerorchester und natürlich das Orchester des Mainzer Staatstheaters. Aber auch über die Landesgrenzen hinaus ist die Domkantorei ein geschätzter Partner und arbeitete bereits mit dem SWR-Rundfunkorchester, der Philharmonie Südwestfalen und dem Jerusalem Sinfonieorchester zusammen.

Eine rege Konzerttätigkeit im In- und Ausland mit Auftritten in Rom, Prag, Brüssel oder Paris dokumentieren auch das Selbstverständnis als musikalischer Botschafter; so trat die Domkantorei auch schon in Israel und Polen auf. In der laufenden Saison folgt der Chor einer Einladung an die Alte Oper Frankfurt, um dort die 8. Sinfonie von Mahler aufzuführen und wurde von GMD Leon Reiskin eingeladen, im Concertgebouw Amsterdam, in Antwerpen und Mailand mit der Rheinischen Philharmonie Koblenz die Lobgesang-Sinfonie von Mendelssohn aufzuführen.

Was der Chorleiter an „seiner“ Kantorei schätzt, sind der eigene Klang („Rund, weich und geradezu sinnlich, aber auch transparent und kraftvoll sowie sehr modulationsfähig!“), der durch intensive Stimmbildung stetig weiterentwickelt wird und ein souveränes Miteinander abseits jeder Vereinsmeierei. Die Altersstruktur liegt dabei zwischen 17 und 70 Jahren, wobei laut Breitschaft jeder einzelne an sich selbst hohe Ansprüche stellt und großen Wert auf hochqualifiziertes Musizieren legt: „Alle sind unglaublich engagiert, leistungsfähig und begeistert“.

Gefragt nach besonderen Erinnerungen nennt der Dirigent neben einer Aufführung von Brittens „War Requiem“ in Verdun und Brahms‘ „Deutschem Requiem“ in Israel das Konzert von Händels „Saul“ anlässlich der Wiedereröffnung des Mainzer Staatstheaters im Schatten des Terroranschlags vom 9. September 2001 und die szenische Umsetzung von Mendelssohns „Elias“ 2005: Am Premierenabend verschied Papst Johannes Paul II. und statt zur anschließenden Feier zu gehen, zogen die Sängerinnen und Sängerinnen der Domkantorei in den Dom und stimmten für den beliebten Pontifex den Choral „Wer bis an das Ende beharrt“ an.

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