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Ein ausgezeichneter Sänger

MAINZ/WIESBADEN/CHEMNITZ (23. Mai 2025). In der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz erhielt der Bassbariton Klaus Mertens den Mozart-Preis der Sächsischen Mozart-Gesellschaft e. V. Die Jury begründete ihre Entscheidung mit den Worten: „Seine Stimme, sein Gesang, egal ob Bach oder Mozart, Volks- oder Kunstlied, Barock, Romantik oder Moderne, lassen Menschen weltweit aufhorchen; er öffnet Ohren und Herzen für die Schönheit der Musik.“ Dass die Wahl 2025 auf einen Sänger fiel, ist dabei kein Zufall, denn auch der Sächsische Landesmusikrat hat die Stimme zum „Instrument des Jahres“ mitgekürt.

Klaus Mertens kann mit 76 Jahren auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurückblicken, die ihn oft auch in die Rhein-Main-Region führte und dies noch immer tut: Erst im März musizierte er mit der Schiersteiner Kantorei Bachs Matthäuspassion in Wiesbaden und wird am 14. Dezember auch das Jubiläumskonzert 70 Jahre Bachchor Mainz mitgestalten. 2018 übernahm er von seinem Kollegen Andreas Scholl die Schirmherrschaft des Fördervereins der Schiersteiner Kantorei, mit der er 1989 erstmals auftrat

Mit dem damaligen Leiter Martin Lutz verbindet ihn zudem eine langjährige Freundschaft: In dessen letztem Jahr als Dirigent der Schiersteiner sang Mertens das Verdi-Requiem – nach unzähligen Auftritten in der Christophoruskirche und in der Marktkirche. Der Künstler war auch häufig Gast beim Rheingau Musik Festival und Mainzer Bachchor, mit dem er unter anderem 2005 in der Basilika von Schloss Johannisberg Mozarts Requiem aufnahm; im Mozartjahr 2006 reiste er mit dem Ensemble und der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz nach Argentinien, Uruguay und Brasilien, wo er dessen c-Moll-Messe und Bearbeitung von Händels „Messiah“ sang.

Dabei ist das Salzburger Wunderkind gar nicht mal der erste Name, den man mit Mertens in Verbindung bringt: Es ist Johann Sebastian Bach, dessen geistliche Kantaten er zwischen 1994 und 2004 als bislang erster und einziger Sänger in einer Gesamteinspielung mit seinem engen Freund Ton Koopman vorlegte. Darauf folgte die ebenfalls gemeinsame Komplettaufnahme des Œuvres von Dieterich Buxtehude. 230 CDs hat Mertens im Verlauf seiner Karriere aufgenommen: die jüngsten mit Ludwig van Beethovens „Egmont“, romantischen Liedern Johann Vesques von Püttlingens oder Kantaten des in Mainz beheimateten Telemann Projects von Prof. Felix Koch.

Seine Künstlerlaufbahn verlief anfangs übrigens auf einem zweiten Gleis, denn im Hauptberuf war der Sänger bis 1988 Lehrer für Deutsch, Musik und Religion an einer Kölner Schule, der er zum Schluss auch als Direktor vorstand. Das Kollegium ahnte damals nichts vom „Doppelleben des Klaus M.“, dessen Name auf den Konzertplakaten im Schulbezirk lange nicht mit seiner Person in Verbindung gebracht wurde.

Als Mertens seine Passion publik machte, war es Zeit, sich zu entscheiden. Die Wahl fiel auf den Gesang, obwohl der Vater eher einen soliden Beruf angemahnt hatte. Der musste bei der Anmeldung seines Filius‘ in einem kirchlich geführten Internat übrigens unterschreiben, dass dieser später Missionar werden würde. Publikum und Kritik bezeugen seit vielen Jahren, dass dies kein leeres Versprechen blieb, denn Klaus Mertens ist mehr als ein Sänger: Er gestaltet seine Rollen beispielsweise in Bachs Passionen mit einer Eindringlichkeit, deren Intensität man bei den wenigsten Kollegen findet. Gelobt werden nicht nur Perfektion und Timbre, sondern allenthalben eine faszinierende Balance zwischen Musik und Sprache.

Und das hat einen besonderen Grund, sozusagen das Erfolgsgeheimnis des Künstlers, das er gerne mit der jungen Sängergeneration als Ratschlag teilt: Bevor Mertens 1970 mit dem Gesangsstudium in Aachen begann, schickte ihn seine Lehrerin zur Sprecherziehung bei einem Schauspieler. Davon war der aufstrebende Sänger anfangs überhaupt nicht begeistert, begriff aber sehr schnell, wie wichtig es gerade für seine Profession ist, die eigene Sprechstimme richtig zu benutzen, den Stimmsitz zu festigen und ökonomisch mit dem Organ umzugehen. Vergleiche mit Aufnahmen von Bachs Schemelli-Liedern von 1995 und 2023 belegen objektiv, dass Mertens auch heute, mit 76 Jahren, noch nahezu genauso klingt wie vor Jahrzehnten. Was sicher auch an der weitsichtigen Ausbildung liegt, von der er schon als Lehrer profitierte: Wer kann schon sechs Stunden Unterricht geben, eine Schule leiten und abends Bachs Johannespassion singen?

„Der bewusste und aufmerksame und sicher auch schonende Umgang mit dem so wichtigen Instrument Stimme muss mal wieder ins rechte Licht gerückt werden“, fordert Mertens vehement für das „Instrument des Jahres“: „Und das gilt ganz besonders eben für Berufe, die unmittelbar und vor allem mit ihrer Stimme zaubern oder darauf angewiesen sind: nicht nur Sänger, sondern auch Kabarettisten, Lehrer oder Pfarrer.“ Spätestens wenn das Mikrofon nicht funktionierte, hätten sie ein großes Problem: „Früher füllte ein Geistlicher einen großen Dom von der genau ausgemessenen Kanzel aus und man verstand ihn fast an jeder Ecke. Heute ist in der kleinsten Friedhofskapelle ein Mikrofon installiert.“ Dass die genannten Berufe ohne Sprecherziehung erlernt werden könnten, ist für den Bassbariton ein Unding: „Je besser man seine Stimme im Griff hat und artikulieren kann, umso mehr hat man die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf seiner Seite. Und umso überzeugender und gewinnender spricht man.“ Oder singt. Klaus Mertens tut dies, seitdem man vor über 60 Jahren im Internat auf seinen Sopran aufmerksam wurde. Der wurde zum Bass. Alles andere ist Geschichte.

Fotos: Wolfgang Schmidt für Sächsische Mozart-Gesellschaft e.V.

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