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Boot-Camp Baroque

MAINZ (3. Juli 2017). Ein Boot-Camp für Gesang? Doch, das gibt es. An der Hochschule für Musik Mainz, genauer gesagt: in der Klasse von Prof. Elisabeth Scholl. Wenn das ohnehin kurze Sommersemester zu Ende ist, geht es nach den Abschlussprüfungen eine Woche lang weiter.

Und zwar hochkonzentriert: mit Frühsport, um den Körper kennenzulernen, täglichem Einzelunterricht, gemeinsamer Analyse und Austausch – alles, wofür im regulären Unterricht zu wenig Zeit bleibt. Danach findet zum zweiten Mal die Deutsch-Chinesische Barock-Akademie statt und irgendwann wird Scholl auch Urlaub machen – es geht mit dem Fahrrad über die Alpen.

Seit April 2018 besetzt die aus dem Rheingau stammende Sopranistin als Nachfolgerin von Claudia Eder den Lehrstuhl für Gesang, nachdem sie in Mainz ein Semester zuvor bereits einen Lehrauftrag wahrgenommen hatte. Hier hatte sie Musikwissenschaft studiert, Konzertverpflichtungen führten sie später auf die wichtigsten Podien Alter Musik in ganz Europa, als Professorin für Barockgesang unterrichtete sie seit 2009 in Nürnberg sowie 2016/2017 im Lehrauftrag in Weimar.

Nun ist sie an die Mainzer Hochschule für Musik zurückgekehrt. Und hier sehr glücklich: „Egal, wo man hinkommt, man wird freundlich empfangen“, sagt Scholl, die überall auf hilfsbereite Offenheit stoße: „Ich werde ermuntert, Projekte zu realisieren. Das ist unfassbar toll.“ So konnte ihre Idee der Mäzenaten-Konzerte rasch umgesetzt werden. Für das Gespräch hatte sich die Sängerin übrigens kurz aus einem von ihr organisierten Meisterkurs mit der Opernsängerin Petra Lang gestohlen. Auf der anderen Seite erwähnt Scholl, dass in Mainz ein eher „straffes Regiment“ herrsche: „Es wird schon einiges eingefordert.“ Doch genau das schätzt sie, denn auch hierauf fuße die gegenseitige, kollegiale Unterstützung. Allerdings merkt die Sopranistin an: Man könne nicht zu allen Projektanfragen Ja sagen, denn auch der eigene Tag habe nur 24 Stunden.

Die waren in den vergangenen Monaten gut ausgefüllt, zum Beispiel mit einem interdisziplinären Blockseminar, in dem Scholl vermittelte, wie ein Barockkonzert zustande komme – von der Suche nach Noten über das Edieren von Handschriften, Programmgestaltung bis hin zu Interpretationsmöglichkeiten und Vermitteln auch via Mimik und Gestik: „Es ging darum zu zeigen, wie eine Sängerin oder ein Sänger arbeitet und was alles dahintersteckt.“ Überhaupt schätzt Scholl die Integration der Musikhochschule auf dem Campus und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten der Vernetzung.

Die Rückkehr an den einstigen Studienort weckt bei der Sängerin nicht nur Erinnerungen, sondern regt auch zu Vergleichen an. Eine Erkenntnis: Viele Studierenden heute könnten weniger gut mit Kritik umgehen. Habe sie entsprechende Bemerkungen früher eher als Ansporn und Ermunterung begriffen, würden diese heute schnell persönlich genommen und zuweilen sogar als verletzend empfunden: „Das kann zu frustrierenden Erlebnissen führen. Man muss als Lehrer vorsichtig sein, um nicht zu demotivieren.“ Eine andere Beobachtung: Das mediale Überangebot führe auch bei den Musikstudierenden zu einer geringeren Neugier. Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz („Ich mag keine Sänger, die nur sich und ihre Stimme sehen.“) will Scholl dieser Entwicklung entgegenwirken.

„Heute kann man im Internet unheimlich viel auch über Alte Musik finden. Das heißt jedoch nicht, dass man sie versteht und richtig spielen kann“, weiß die Sängerin. Fehlerhafte Notenausgaben führten dazu, dass Musik oft „irgendwie“ aufgeführt werde: „Es geht nicht nur ums Verzieren oder darum, Koloraturen noch schneller zu spielen – die Grammatik Alter Musik muss verstanden werden.“ Die Anzahl derer, die sich damit auseinandersetzen wollten, werde kleiner. Doch für diejenigen, die auch zukünftig dazu bereit sind, ist Elisabeth Scholl die richtige Frau am richtigen Platz.

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