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Menschen für die Musik begeistern

Als sich der rheinhessische Unternehmer Peter E. Eckes anlässlich eines runden Geburtstags vor einigen Jahren nicht für sich, sondern für den von ihm geschätzten Mainzer Bachchor Geschenke in Form von Geldbeträgen wünschte (wobei rund 100.000 Euro zusammenkamen), titelte die Lokalpresse „Die Rückkehr des Mäzenatentums“. Die Rolle der Mäzene schätzt auch die Mainzer Gesangsprofessorin Elisabeth Scholl hoch ein und wirbt hier unter anderem mit den von ihr 2018 begonnenen Mäzenatenkonzerten in Kiedrich. Darüber hinaus ehrt sie mit dem Heinz-Frankenbach-Preis den 2017 verstorbenen Eltviller Hotelier, der ihr in jungen Jahren ebenfalls als Mäzen den Rücken stärkte. Wir sprachen mit der Sopranistin über dieses Engagement:

Schon immer kostete Kunst Geld. Und schon immer hat es Menschen gegeben, die sich hier besonders einsetzen. Was ist wohl ihre Antriebsfeder?

Elisabeth Scholl: Bei einem Mäzen schwebt mir dieses Renaissance-Ideal vor: Er schätzt etwas wert, er weiß, welchen Wert etwas hat – allerdings nicht im materiellen Sinn. Das ist ja das Problem der Kunst: Man kann sie nicht in Heller und Pfennig umrechnen. Weil aber heute vor allem das zählt, wird die Bedeutung der Kunst unterschätzt. Im Idealfall sind Mäzene aber in der Lage, so etwas zu erkennen und dann auch zu unterstützen – in materieller oder auch ideeller Form. Dabei entstehen dann oft fruchtbare Verbindungen.

Buchstäblich das erste, was man von Ihnen als damals neue Hochschulprofessorin gehört hat, war der Beginn der Mäzenatenkonzert-Reihe. Wie war die Resonanz der ersten Veranstaltung?

Elisabeth Scholl: Ganz großartig! Die Kiedricher Kirche war gerammelt voll. Es geht ja darum, dass jeder, der möchte, in dieses Konzert kommen und durch seinen Beitrag, ja allein schon durch seinen Besuch ausdrücken kann, dass er diese Sache unterstützt. Für Studierende ist es frustrierend, wenn sie vor einem Publikum von zwei, drei Leuten singen müssen. Aber wenn sie in einer Kirche vor 500 Leuten auftreten dürfen, dann ist das für sie eine unglaublich wertvolle Erfahrung – auch der Wertschätzung. Das ist sehr wichtig. Rein finanziell tragen sich die Veranstaltungen, weil es Menschen gibt, denen das etwas bedeutet. Und das macht mich unglaublich glücklich.

Welches Ziel haben die Mäzenatenkonzerte langfristig?

Elisabeth Scholl: Sie sind ja in Kiedrich angesiedelt. Was die schönere Rheinseite ist, liegt ja im Auge des Betrachters (lacht). Aber der Rheingau ist ja historisch gesehen mit Mainz verbunden und ich möchte gerne den Einzugsbereich der Konzerte vergrößern. Ich bin davon überzeugt, dass man, wenn man etwas bekommen hat, auch wieder etwas zurückgeben sollte. Und ich bin hier verwurzelt und habe für meine Karriere als Sängerin schon früh sehr viel Unterstützung erfahren. Junge Leute müssen für tolle Konzerte mit Alter Musik nicht unbedingt nach Mainz, Wiesbaden oder Frankfurt fahren, sondern können das auch in hoher Qualität vor Ort erleben. Ziel ist es natürlich, dass wir mit diesen Konzerten finanzielle Mittel erwerben, um wiederum andere Projekte zu unterstützen. Das Engagement hört also nicht bei den eigentlichen Mäzenatenkonzerten auf.

Das Rheingau Musik Festival betont die Wichtigkeit der Sponsoren, die es fast zur Hälfte tragen. Sind Sponsoren die neuen Mäzene?

Elisabeth Scholl: Man muss da differenzieren: Ein Sponsor erwartet eine Gegenleistung für die finanzielle Leistung, die er erbringt. Ein Mäzen tut das nicht, da ist die ideelle Komponente größer. Letztendlich läuft es aber bei beiden darauf hinaus, dass es Menschen sind, die die Kultur braucht, die sich großzügig engagieren, damit sie heute überhaupt lebensfähig ist. Im Sport fließt vor allem durch die Werbung viel Geld – diese Möglichkeiten haben wir ja nicht. Kultur soll dabei nicht von Vornherein etwas Elitäres sein – der Gedanke des Mäzenatentums beinhaltet ja auch, dass jeder daran teilhaben können soll.

Warum sind Mäzene heute wieder so gefragt?

Elisabeth Scholl: Weil die Kultur auch von der Politik eher als etwas Nebensächliches abgetan wird. Das Schulsystem soll immer effizienter werden, doch die Verantwortlichen vergessen dabei, dass es vor allem die Kultur ist, die unsere Gesellschaft und unsere Zivilisation ausmacht. Und dazu zähle ich jede Art von Kultur, auch Diskussions- und Sprachkultur. Es wird viel zu oft mit leeren Superlativen um sich geworfen. Dabei ist die Qualität doch ausschlaggebend. Heute laufen viele vor allem den großen Stars hinterher. Ist aber einer automatisch gut, wenn er einen Namen hat? Und gilt im Umkehrschluss, dass unbekannte Künstler nicht so gut sind? Eben nicht! Gerade sie brauchen unsere Unterstützung: die der Mäzene und die der Zuhörer.

Sie hatten selbst einen Mäzen: den Eltviller Hotelier Heinz Frankenbach. Wie hat er Sie unterstützt?

Elisabeth Scholl: Meine Eltern hatten ja einen Obst- und Gemüsegroßhandel, in dem auch wir Kinder mit anpacken mussten. An einem Samstag waren dem Herrn Frankenbach die Erdbeeren ausgegangen und wir haben das Hotel beliefert. Und hier gibt es einen Saal, den ich damals geradezu entdeckte. Bis dahin hatte ich immer nur Konzerte in Kirchen gesungen, in denen das umsonst ging. Aber für weltliche Programme Orte zu finden, war sehr schwierig. Ich fragte Herrn Frankenbach also, ob ich auch in seinem Ballsaal mal Konzerte geben dürfe und er antwortete: Klar, wann wollen Sie kommen? Nachdem das erste Konzert hier Anklang gefunden hatte, lud mich Heinz Frankenbach sofort wieder ein. Daraus entstand dann eine langjährige Konzertreihe, die wir jetzt wiederbeleben möchten. Ich bekam diesen Saal immer kostenfrei zur Verfügung gestellt. Und das hat mich umgehauen, wenn man weiß, wie viel man für andere Säle oder Bürgerhäuser hinblättern muss. So was kann man nie mit den Einnahmen erzielen.

Wie hat das Ihre ja beachtliche Karriere beeinflusst?

Elisabeth Scholl: Hier konnte und durfte ich Sachen ausprobieren. Ich muss das, was ich weiß und vermitteln will, kanalisieren und so rüberbringen, dass es den Leuten Spaß macht. Musik näherzubringen, damit der Lustgewinn daran umso größer ist, das konnte ich hier lernen. Zum Beispiel habe ich im Hotel Frankenbach mal ein Pasticcio ausprobiert, also eine Ein-Frauen-Oper aus verschiedenen Musikstücken, was sich später dann bei meiner Bewerbung an der Nürnberger Musikhochschule als nützlich erwies. Der Ballsaal des Hotels Frankenbach war also sozusagen mein Labor, ein geschützter Raum. Diese Erfahrungen waren absolut wertvoll.

An der Hochschule für Musik in Mainz gibt es nun den Heinz-Frankenbach-Preis. Was hat es damit auf sich?

Elisabeth Scholl: Genau diese Erfahrung möchte ich meinen Studierenden weitergeben. Um sich für den Preis bewerben zu können, muss man an der Hochschule für Musik in Mainz eingeschrieben sein, wo er auch ausgetragen wird. Es geht dabei aber nicht darum, nur schön zu singen, sondern um genau jene Experimentierfreude, die durch die Ausschreibung angeregt werden soll: um Arien und Rezitative, um ein schlüssiges Konzept der Darbietung, um die Moderation, ein Programmheft. Vieles bleibt heute während des Studiums auf der Strecke, weil auch das ja immer schneller absolviert werden soll. Dabei ist doch das Lernen der Prozess: Auch für uns Sänger geht es vor allem um Vielseitigkeit. Genau das soll mit dem Heinz-Frankenbach-Preis abgebildet und geschult werden.

Gibt es über die Erfahrung hinaus etwas zu gewinnen?

Elisabeth Scholl: Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert und wird von einer prominent besetzten Jury vergeben, zu der Peter Reidemeister als ehemaliger Leiter der Schola Cantorum Basiliensis, der Leipziger Thomaskantor Gotthold Schwarz sowie der Lautenist und Dirigent Konrad Junghänel gehören. Und es gibt einen Publikumspreis, der mit einem Notengutschein verbunden ist. Womit wir wieder beim Zuhörer als Mäzen sind: bei den Menschen, die diese Musik genießen und sich von ihr angesprochen fühlen wollen. Und genau das müssen die drei Finalisten in ihrem ganz eigenen, 25-minütigen Programm schaffen.

Konzerte
Am 21. Februar findet im historischen Ballsaal des Hotels Frankenbach in Eltville um 19.30 Uhr ein barockes Liedkonzert mit Elisabeth Scholl und Helen Rohrbach (Sopran), Christian Rohrbach (Altus), Felix Koch (Barockcello) und Markus Stein (Cembalo) statt. Das Finalistenkonzert des Heinz-Frankenbach-Preises am 24. Februar beginnt um 16 Uhr. Im Veranstaltungskalender der Hochschule für Musik kann man unter https://www.musik.uni-mainz.de kostenlos Eintrittskarten für beide Veranstaltungen reservieren.

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