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Zeitreise nach Las Vegas

MAINZ (7. Juni 2014). Als jüngst ein Album des 2009 verstorbenen Michael Jackson mit bislang unveröffentlichten Songs auf den Markt kam, wurde es spektakulär präsentiert: Der „King of Pop“ schien anlässlich der diesjährigen „Billboard Music Award“-Verleihung auferstanden und performte per Hologramm den Song „Slave to the rhythm“ von der „neuen“ Platte „XSCAPE“ – Gänsehautfeeling also in der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas.

Nur einen Steinwurf davon entfernt, im Hotel „International“, war 45 Jahre zuvor ein anderer Musik-Monarch nach Jahren der Bühnenabsenz aufgetreten: Der „King of Rock’n’Roll“ feierte sein Comeback. Weitere Konzerte in der Glitzerstadt wurden auf Zelluloid gebannt und 1970 entstand die Filmdokumentation „Elvis, That’s The Way It Is“, die als Grundlage für das Mainzer „Gastspiel“ des „Kings“ diente.

Hatte man sich für Jacksons „Auferstehung“ modernster Technik bedient, reicht für die Show „Elvis Presley – On Stage“ die Zweidimensionalität: Elvis lebt! Hinter transparenter Stoffbahn, die sich über die Bühne der Rheingoldhalle spannt, spielt eine fulminante Liveband samt Background-Chor. Im Vordergrund aber steht „Elvis the Pelvis“ – übergroß, als wollte man seine Bedeutung für die Musikgeschichte optisch unterstreichen. Man hängt förmlich an den vollen Lippen des „Kings“, wenn er „Don’t be cruel“ oder „Love me tender“ singt.

Einzig stören können dieses Wiedersehen nur die Hobby-Fotografen, die im privaten Blitzlichtgewitter ihre Smartphones ins Blickfeld halten und für die das offizielle Verbot von Ton- und Filmaufnahmen offenbar nicht gilt.

Eine fantastische Illusion, das alles! Und mit ein bisschen Mühe kann sich ein echter Fan der Fantasie hingeben, er sei zurück in den 1970ern, im Spielerparadies, wohin es Elvis nach seiner zweifelhaften Karriere als Schauspieler zog. Er selbst wollte tiefgründige Charaktere mimen, sein Manager brachte ihn lieber in zunehmend seichten Filmchen unter. Für diesen Abend aber geht sein Traum vom Filmhelden in Erfüllung – zwar nicht auf Leinwand, aber auf Tuch.

Zu sehen ist der „King“, zu hören seine isolierte Stimme – Karaoke mal andersherum. Und das ist nicht ohne, schließlich muss sich die Band, die so laut spielt, dass man noch in Reihe 13 die Beats wie eine Berührung spürt, um das Organ des Sängers herum formieren. Erstaunlich passgenau begleiten die Musiker den Gesang, bilden somit eine Symbiose, die das Livegefühl mit dem Virtuellen verbindet – vor allem dann, wenn Elvis mit großer Geste abschlägt.

Und wenn man Presley da so sieht, entrollt sich vor dem inneren Auge die ganze schillernde Biografie dieses Ausnahmetalents: Da ist die Platte, die er 1953 bei Sam Phillips Memphis Recording Service für seine Mutter aufnimmt, da sind die vollen Konzerthallen, begeisterte Fans, der legendäre Hüftschwung, den Elvis in konservativeren Bundesstaaten auf einen Fingerzeig reduzieren musste. Da ist der GI Presley im nur 70 Kilometer entfernten Bad Nauheim – aber eben auch der zuletzt schwerkranke, aufgeschwemmte Star, der viel zu jung verstarb.

Was für eine Karriere, hinter der die von gecasteten „Superstars“ blass aussehen! Elvis würde im kommenden Jahr 80 Jahre alt – an diesem Abend aber „lebt“ er, wenn auch nur für gut zwei Stunden.

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