Britisches Understatement
MAINZ (3. Juli 2010). Welch ein Glück: Das Konzert des Mainzer Musiksommers mit Emma Kirkby in der Seminarkirche stand in wohltuendem Widerspruch zur volltönenden Ankündigung, wurde die Sopranistin doch als „Primadonna der Alten Musik“ angekündigt. Statt einer pompösen Operndiva mit mächtig Starallüren im Gepäck erlebte das Publikum hingegen eine zurückhaltende, warmherzige Künstlerin, die allein die Musik in den Vordergrund stellte.
Der Abend gehörte Renaissance- und Frühbarock-Liedern aus vielen Federn: Henry Purcell, John Dowland, Henry und William Lawes sowie Heinrich Schütz waren hier die bekannteren Namen; Werke von Etienne Moulinié, Pierre Guédron, John Danyel oder Georg Schimmelpfennig rankten dazwischen. Jeder dieser Balladen – und war sie auch noch so kurz – verlieh Emma Kirkby gemeinsam mit dem Lautenisten Jakob Lindberg eine ganz eigene Stimmung und durchlebte eindringlich Launen von Liebe, Einsamkeit, Demut, Eifersucht, Trauer und Schmerz. Es war der Zauber des Augenblicks, der hier durch die Musik schien.
Für diese Klangwelten galt das, was der Autor Stan Nadolny einmal über die Sprache generell sagte. Sie sei eine bezaubernde, eigenwillige Dienerin – doch nur bezaubernd, wenn sie beides sei: eigenwillig und Dienerin. In diesem Sinn scheint Kirkby auch ihr künstlerisches Wirken zu verstehen. Auf der einen Seite tritt sie als Person zurück, auf der anderen Seite adelt die 2007 von der englischen Königin in den Ritterstand erhobene Sopranistin damit jeden Ton auf ihre ganz eigene Weise.
Der Liedvortrag Kirkbys wird dabei nicht selten zum kleinen Dramolett: Mit deutlicher Mimik und zarter Gestik verleiht sie bestimmten Worten Gewicht: Der Zauber einer den Göttern vorbehaltenen Liebe, die für den Sterblichen nur süße Marter sein kann; das tieftraurige Lamentieren über die vergangene Zeit, das Kirkby mit butterweicher Koloratur gestaltet; das ersterbende Decrescendo der besungenen Sehnsucht – es sind kleine stilistische Fingerzeige, die ihre große Wirkung entfalten, wenn man dieser Stimme lauscht.
Ihr schon bald mit Erfolg gekröntes Bestreben war es stets, ihre Stimme mit dem Klang alter Instrumente zu einer homogenen Einheit zu verbinden. Auch im Zusammenspiel mit Jakob Lindberg gelingt dies makellos. Wie ein weiterer „Chor“, so heißen die Doppelsaiten der Laute, schmiegt sich der Sopran Kirkbys an das transparente Spiel des schwedischen Künstlers, der an diesem Abend auch solistisch glänzte: In Stücken von Robert Ballard, Gregory Huwet oder Alessandro Piccinini bestach Lindberg durch transparenten Wohlklang, der die Klarheit von Wassertropfen, mal perlend, mal quellend, doch stets von erfrischendem Fluss hatte.
SWR2 sendet einen Konzertmitschnitt am 13. Dezember 2010 ab 20.03 Uhr.