Große Kunst mit „kleinen“ Werken
ANDERNACH – Nicht die „Grand motet“, wie sie ein Jean-Baptiste Lully für seinen Sonnenkönig schrieb, sondern die „Petit“ stand auf dem Programm des RheinVokal-Konzerts mit dem Ensemble Pierre Robert in der Andernacher Christuskirche: Henry Du Mont, Daniel Daniélis und Marc-Antonine Charpentier schrieben diese kleinen, aber nicht minder feinen Chorstücke – ebenfalls für Versailles.
„Motetten für den Sonnenkönig“ war denn auch das Motto des Konzerts, das sich mit den „Petit motets“ in ihrer kammermusikalischen Einrichtung einer doch beachtenswerten Nische der französischen Vokalmusik des Barock widmete. Hierzulande haben es die gallischen Komponisten schwer: Aus der Oper kennt man meist nur Jean-Philippe Rameau und von Charpentier allenfalls den Beginn des „Te Deums“ in der Form der Eurovisionsfanfare.
Da ist es nicht verwunderlich, wenn RheinVokal erneut gerade hier seine Fühler ausstreckt und ein Konzert mit diesen „kleinen“ Motetten gestaltet. Mit dem Ensemble Pierre Robert hatte man nicht nur Spezialisten für dieses Genre, sondern auch fulminante Musiker eingeladen, die den lateinischen Texten mit französischem Zungenschlag einmal mehr zu dem ihnen gebührenden Glanz verhalfen.
In verschiedenen Besetzungen musizierten Anne Magouët (Sopran), Sarah Breton (Mezzosopran) und Robbert Muuse (Bass) mit Ruth Unger und Thomas Leconte (Traversflöten) sowie Alexandre Salles (Fagott) und Frédéric Desenclos (Orgel und Leitung). Gerade die kleine Besetzung ermöglichte hier eine empfindsame Transparenz und das lyrische, unaufgeregte Fagottspiel Salles‘ fügte sich ansprechend zum einmütigen Musizieren der beiden Flöten.
Psalmvertonungen wie das „Precatio pro filio regis“ oder „Quemadmodum desiderat cervus“ von Charpentier, dessen innig vorgetragenes Gebet „Litanies de la Vierge“ gefielen mit abwechslungsreichen Gesti vom Tänzerischen bis zum voller Verlangen vorgetragenem Anruf des Gottessohns.
Robbert Muuse behagte mit markantem, doch schlankem Bass, der sich zu Beginn nicht so recht aus dem Schatten der omnipräsenten Stimmen von Anne Magouët und Sarah Breton herauswagen wollte, im Laufe des Konzerts jedoch die gleiche Kontur fand. Bei Bretons Sopran fiel eine satte Mezzofärbung angenehm auf, während Magouët mit beachtlichem Stimmvolumen das „Ave Regina“ du Monts oder mit inniger Freude Daniélis‘ „Ad gaudia caeli“ mitgestaltete. Die makellose Diktion der Vokalisten war ein weiteres Gütezeichen dieses Gastspiels, an dem der Sonnenkönig sicherlich seine helle Freude gehabt hätte.
Ein Mitschnitt dieses Konzerts wird am 1. November 2008 von 10.30 bis 12.00 Uhr im Rahmen der RheinVokal-Radiowoche auf SWR2 gesendet.