Italiens Musik im Aufbruch
ARMSHEIM (22. September 2024). Es sind Klänge, in denen man sich verlieren kann: Das Capricornus Ensemble Stuttgart (nicht zu verwechseln mit dem Capricornus Consort Basel) hat sich nach dem böhmischen Kapellmeister und Komponisten Samuel Friedrich Capricornus (1628-1665) benannt. Dass der im Programm nicht vorkommt, liegt an dessen geografischer Ausrichtung: Nachdem „Furioso!Barock“ sich in den beiden Konzerten zuvor stets von Italien nach Deutschland bewegt hatte, bleibt man diesmal im Süden: Das mit „Lux“ betitelte Konzert widmet sich der italienischen Musik im Aufbruch zur Zeit Claudio Monteverdis.
Und in dieser Musik kann man eben vollkommen versinken: Wenn sich die Instrumente zum Chor vereinen und ihre Akkorde und Modulationen in die wunderbare evangelische Kirche „Zum heiligen Blut“, eine der ältesten und größten Dorfkirchen Rheinhessens, wehen, dann scheint die Zeit für einen Moment still zu stehen. Im Capricornus Ensemble musizieren neben seinem Leiter Henning Wiegräbe (Posaune) an diesem Nachmittag Cosimo Stawiarski (Violine), Frithjof Smith (Zink) und Simon Reichert (Orgel). Das vokale Register fügt Sopranistin Johanna Pommranz hinzu.
Die Künstler eröffnen mit Giovanni Pierluigi Palestrinas „Ave regina coelorum“. Und hier, erklärt Wiegräbe, sei die Welt noch in Ordnung gewesen: klare Linien, ein reines polyphones Stimmengeflecht. Doch damit brach die folgende Komponistengeneration um Monteverdi: In wechselnden Besetzungen lernt man das Neue, den bewussten Stilbruch jener Zeit kennen, der Raum für Entwicklung schuf und der Nachwelt so wunderbare Musik wie die Motette „Deliciae meae esse cum Christo“ von Niccolò Corradini oder eben Monteverdi schenkte, von dem Pommranz das „Laudate Deum“, „Confitebor tibi Domine“ und „Sanctorum meritis“ singt: Stimme und Instrumente begannen sich zu emanzipieren, Gestaltung stand fortan über der reinen Wiedergabe.
Immer, wenn ihr Sopran zusammen mit dem Zink erklingt, staunt man über den Gleichklang: Das Cornettino, wie das historische Blasinstrument auch genannt wird, ähnelt der menschlichen Stimme auf faszinierender Weise und oft vermischen sich beide Register. Tatsächlich spiegelt sich das menschliche Organ in all seinen dynamischen Facettierungen apart im Klang der Zinkpartien. Wiegräbe steuert den weichen Ton der Posaune bei, was man vor allem im nur orgelbegleiteten „Canzona ottava detta l’ambitiosa a basso solo“ von Girolamo Frescobaldi genießen kann. Aber auch im Tutti entsteht zusammen mit Violine und den Klängen des Orgelpositivs ein ganz eigener Kosmos, in dem man stilistisch bereits in die Zukunft lauschen kann. Was folgte, war im Barock nicht selten furiose Musik, die dem kleinen Alte-Musik-Festival in der Mitte Rheinhessens letztendlich ja auch seinen Namen gab.