Barock flopp, romantisch top
MAINZ (20. Januar 2024). Auf dem Programm stehen zwei Chor- und gleich drei Orgelwerke: Bachs BWV 545 und seine Motette „Komm, Jesu, komm“ sowie die B-Dur-Fuge op. 60 von Robert Schumann, Präludium und Fuge op. 25 von Felix Mendelssohn Bartholdy und dessen achtstimmiges „Te Deum“ in D-Dur (MWV B15). Das Programm trägt den Titel „Durch einen Spiegel“ und klingt spannend, wenn auch für das Debütkonzert eines neuen Professors für Chordirigieren an der Hochschule für Musik (HfM) Mainz etwas orgellastig. Aber egal: Es ist auf jeden Fall eine Freude, die historische Dreymann-Orgel von 1837 zu hören. Und Maiko Ozaki (Bach) sowie Bernhard Herzog (Schumann und Mendelssohn) machen ihre Sache gut.
Doch man ist ja hauptsächlich hier, um Mihály Zeke und den Hochschulchor zu erleben. Der Leser dieses Magazins kennt den Dirigenten vielleicht schon von der fast auf den Tag genau vor drei Jahren vorgestellten, wunderbaren CD „Homelands“ mit dem Ensemble Cythera. Zeke ist also der „Neue“ an der HfM. Und interpretiert, wie er in einer Ankündigung betonte, mit einer Bach-Motette das „Evangelium der Chormusik“.
Doch die ist eine herbe Enttäuschung: Der vierzigstimmige Chor klingt inhomogen und die Intonation gerät zur Achterbahn-, ja nicht selten zur Geisterfahrt, denn die Continuo-Begleitung (Stefan Perrotta an der Truhenorgel und Moritz Krüger am Barockcello) ist natürlich unerbittlich. Tatsächlich ist dies der in BWV 229 besungene „saure Weg“, den man hier zurücklegt. Und, kleiner Tipp: Die Augen eines Chorsängers eignen sich nicht nur zum Notenlesen – auch der Dirigent freut sich hin und wieder über ein wenig Aufmerksamkeit.
Nach der romantischen Orgelmusik hat man also ein etwas mulmiges Gefühl angesichts des finalen „Te Deum“ des damals 17-jährigen Mendelssohn Bartholdy. Aber weit gefehlt: Man meint tatsächlich, einen anderen Chor zu hören! Jetzt ist die Intonation sicher, der Hochschulchor überzeugt durch wohlartikulierten, satten Chorklang, musiziert akzentuiert mit schönen dynamischen Bögen und samtigen Pianoeinsätzen. Nicht nur das Tutti, auch die Solisten überzeugen und mischen sich perfekt, was umso bemerkenswerter ist, weil sie manche Partien in großer Distanz zueinander singen.
Mal steht der Klang wie eine Mauer da, mal erwächst er aus dem Nichts, blüht strahlend auf, um sich dann wieder im Pianissimo gleichsam aufzulösen. Diese Musik liegt den jungen Sängerinnen und Sängern hörbar besser und Mihály Zeke inspiriert sie zur Höchstleistung. Wie hatte er zu Beginn noch gesagt: „Mendelssohn ist wohltuend für das Leben und den Chorklang.“ Recht hat er und mit dem „Te Deum“ wird das Konzert doch noch zu einem gelungenen Debüt.
Nun fand dummerweise am gleichen Abend auch das Benefizkonzert des Mainzer Bachchors mit Händels „Messiah“ statt. Und genauso unglücklich ist die Terminierung von Zekes zweitem Gastspiel am 3. Februar im Mainzer Dom, wo er mit Beteiligung des Mainzer Hochschulchors, des LandesJugendChors Rheinland-Pfalz, der Chöre am Dom sowie des Akademischen Chors und Orchesters Stuttgart die „Auferstehungssinfonie“ von Mahler dirigieren wird: Am gleichen Tag findet nämlich in der Wiesbadener Lutherkirche das Semesterkonzert von UniChor und UniOrchester Mainz mit dem Brahms-Requiem statt (was bereits länger feststand und bekannt gemacht worden war). Es bleibt zu hoffen, dass alle HfM-Verantwortlichen künftig früher und besser miteinander kommunizieren und kooperieren, um solche kannibalistischen Dopplungen zu vermeiden. Vor allem das Publikum wird es ihnen danken.