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Dem vergessenen Jubilar

MAINZ (6. Dezember 2020). In der Mainzer St. Ignaz-Kirche befindet sich ein besonderes Instrument: die 1837 von Bernhard Dreymann gebaute und in ihrer ursprünglichen Form erhaltene Orgel. Zwischen 2015 und 2019 wurde sie grundlegend restauriert, was nicht nur Domorganist Daniel Beckmann inspirierte, sie für seine im April erschienene Einspielung von Werken Robert Schumanns zu wählen: Studierende der Hochschule für Musik Mainz haben hier jüngst Orgelstücke des Darmstädter Hoforganisten Johann Christian Heinrich Rinck (1770-1846) aufgenommen.

Dieser Komponist, dessen Geburtstag sich am 17. Februar zum 250. Mal jährte, saß seinerzeit ebenfalls auf der Orgelempore von St. Ignaz: Rinck selbst war auch Orgelsachverständiger und bewertete die Dreymann-Orgel vor Ort als vorbildlich. Auch andere Spuren des gebürtigen Thüringers führen nach Mainz: Der Schott-Verlag beauftragte den berühmten Organisten mit der Einrichtung des ersten Klavierauszugs von Ludwig van Beethovens Missa solemnis und verlegte darüber hinaus ein Flötenkonzert sowie den Variationszyklus „Ah, vous dirai-je, Maman“ für Orgel, der auch auf der vorliegenden Einspielung erklingt.

Das beim Label Coviello Classics erschienene Doppelalbum entstand unter der Leitung von Prof. Gerhard Gnann, der seit 1997 an der Mainzer Hochschule für Musik (HfM) die Abteilung Kirchenmusik und Orgel leitet. Neben ihm sind seine Studierenden Carolin Kaiser, Anna Ziert, David Emmanuel Franke, Sven Hanagarth, Bernhard Herzog, Niklas Jahn und Stephan Rahn zu hören.

Eine schöne Idee: Im Booklet kommentieren alle Beteiligten das Erlebnis, Rincks Musik auf der historischen Dreymann-Orgel spielen zu dürfen – inklusive des Tretens der Bälge, mit der dieses Instrument auch ohne Strom zum Klingen gebracht werden kann. Über Rincks Musik und die Orgel äußern sich neben Gnann auch dessen HfM-Kollegen Immanuel Ott sowie Birger Petersen und zeigen, warum man 2020 nicht nur Ludwig van Beethoven gedenken sollte.

Dass die Orgelstücke sämtlich im Mai dieses Jahres eingespielt wurden, dokumentiert, dass die Studierenden der HfM die Pandemie bedingte Beeinträchtigung des Lehrbetriebs auf dem Campus durchaus produktiv zu nutzten wussten. Die mit bemerkenswertem Raumklang produzierte Aufnahme verantwortete dabei der hochschuleigene Tonmeister Moritz Reinisch. Realisiert wurde die CD als Gemeinschaftsproduktion der HfM, der Kirchengemeinde St. Ignaz, dem für die jüngste Sanierung verantwortlichen Orgelbau-Unternehmen Hermann Euler, der Christian-Heinrich-Rinck-Gesellschaft Darmstadt und durch Spenden.

Der besondere Reiz für den Hörer liegt sowohl in der stilistischen, als auch in der interpretatorischen Vielfalt: Mit acht von dieser Musik spürbar begeisterten Künstlerinnen und Künstlern blickt er in einen musikalischen Spiegel, in dem Rinck den Wandel vom Spätbarock über die Klassik bis hin zur frühen Romantik abbildet. Die Aufnahme präsentiert neben der jeweils hohen künstlerischen Reife auch trefflich das Einfühlungsvermögen aller Interpreten in selten gespielte Orgelmusik und das historische Instrument. In fast zwei Stunden hört man Orgelkonzerte und Choralvariationen, eine Orgel-Fantasie, Adagios und Postludien sowie das bei Schott erschienene Opus 90 – und vor allem das hält für den Hörer eine weihnachtliche Überraschung parat.

Über die Entstehung der CD informiert auch ein Internet-Video: https://youtu.be/1xCsdkoRUlE </a

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