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Lauschen auf Stimmen aus der Vergangenheit

Gerade Rheinhessen ist reich an historischen Orgeln. Auf einer davon, der 1738 erbauten Geib-Orgel in der evangelischen Kirche Partenheim, wird im Rahmen der Internationalen Musiktage Wörrstädter Land am 25. September mit Ton Koopman einer der weltweit besten Organisten spielen. Im Interview erzählt der Niederländer vom Reiz, auf historischen Orgeln zu musizieren.

Herr Koopman, auf welchen Orgeln spielen Sie lieber: modernen oder historischen?

Ton Koopman: Auf historischen! Ihre Stimme kommt aus der Vergangenheit und ihr zu lauschen ist unglaublich spannend. Wenn eine historische Orgel gut intoniert ist, dann gibt es einfach nichts Schöneres. Damit kann es kein modernes Instrument aufnehmen.

Welcher Reiz geht denn von solch alten Instrumenten aus?

Ton Koopman: Eine historische Orgel hat eine eigene Persönlichkeit. Sie ist für mich wie eine Lehrerin, die mir ganz klar sagt, was sie will und was nicht, was musikalisch machbar ist und was nicht. Ihr sollte man aufmerksam zuhören, dann kann daraus eine ganz wundervolle Zusammenarbeit entstehen. Wenn ich auf einem solchen Instrument spiele, sehe ich mich tatsächlich als Schüler, der belohnt wird, wenn er das macht, was die Orgel ihm aufträgt. Das ist ein einfach herrliches Miteinander.

Sie pflegen die historisch-informierte Aufführungspraxis, also das Musizieren auf alten Streich- und Blasinstrumenten. Fordert das auch historische Orgeln?

Ton Koopman: Ja, aber man muss immer vom einzelnen Instrument ausgehen. In Ihrer Gegend gibt es viele Orgeln der berühmten Familie Stumm, die jeweils für ein ganz eigenes Repertoire gebaut wurden. In der Gegend von Dresden und Leipzig, auf den großen Silbermann- und Hildebrandt-Orgeln, da fühlt sich beispielsweise ein Johann Sebastian Bach wie zuhause. Ich sagte ja bereits, dass eine Orgel für mich eine eigene Persönlichkeit, einen eigenen Willen hat. Ihn führt man mit der richtigen Registrierung aus. Wenn man diesen Willen vernachlässigt, fühlt sich das nicht gut an: weder für die Orgel, noch für den Organisten oder die Musik.

Sie sind den Komponisten wie Bach und Händel also besonders nah, wenn sie auf einem historischen Instrument musizieren?

Ton Koopman: Ja, die Stimme aus der Vergangenheit intoniert dann Musik aus der Vergangenheit. Das gehört für mich untrennbar zusammen, das ist wie eine wunderschöne Hochzeit.

Wo liegen denn die Grenzen, vielleicht ja auch Tücken historischer Orgeln?

Ton Koopman: Wenn man sie länger nicht restauriert hat, brauchen sie unsere Hilfe. Das Spiel ist dann viel schwerer, klingt unsauberer. Wenn sie aber fachmännisch restauriert sind, dann lassen sich die Register gut mischen, die Pfeifen stehen richtig, der Wind ist gut. Hierum muss man sich bei alten Instrumenten immer wieder kümmern. Im Vergleich dazu funktionieren neue Orgeln wie ein Luxusauto: Der Klang ist rein, aber vielleicht auch ein wenig steril. Ich schätze und brauche diese kleinen, weichen Unregelmäßigkeiten bei der Intonation historischer Orgeln. Sie machen ihre Seele aus und die Musik so liebenswert.

Wie alt ist denn die älteste spielbare Orgel?

Ton Koopman: Die ist aus den 1430er-Jahren und gilt als die älteste Orgel der Welt. Das Instrument im schweizerischen Sion hat acht Register, von denen wohl vier noch original aus dem Mittelalter stammen. Bei Orgeln kommt es ja immer auch darauf an, wie viel „alte“ Bauteile noch erhalten sind. Je mehr, desto besser. Es gibt auch recht neue Orgeln, bei denen ein paar alte Register verbaut wurden. Die sucht und hört man dann auch, doch der Gesamtklang ist viel weniger gut als wenn man nur alte, historische Register hört. Das ist dann viel authentischer.

Welches war bisher ihr historisches Lieblingsinstrument?

Ton Koopman: Oh, ich habe mittlerweile auf so vielen tollen historischen Orgeln musizieren dürfen: auf jeden Fall die Riepp-Orgel in Ottobeuren, die nahezu in ihrem Originalzustand von 1766 erhalten ist. Hierauf kann man wunderbar französische Musik, aber auch sehr gut Bach spielen. Sie strahlt eine große Liebe aus. In Frankreich gibt es eine sehr schöne Clicquot-Orgel in Houdan in der Nähe von Versailles – wenn man da François Couperin spielt, dann spürt man, dass die Musik hier zuhause ist. In Hamburg ist es die Arp-Schnittger-Orgel in St. Jacobi, aber auch das Instrument in St. Katharinen, auf dem schon Bach spielte. Welch ein Geschenk, wenn eine Stadt – oder wie bei Ihnen eine Region – gleich mehrere solche wunderbaren Instrumente hat!

Herr Koopman, vielen Dank für das Gespräch.

Am 25. September kann man Ton Koopman um 17 und 20 Uhr in der evangelischen Kirche in Partenheim hören: Im Rahmen der Internationalen Musiktage Wörrstädter Land spielt er mit dem Mainzer Orgelprofessor Gerhard Gnann, ausgewählten Studierenden und dem Neumeyer Consort Georg Friedrich Händels Orgelkonzerte (Kartentelefon: 06732 9519690, Mail: info@tourismusgmbh.de).

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