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Die Kraft der leisen Töne

MITTELHEIM (6. Juli 2011). Die Schweizer Kabarettisten Ursus und Nadeschkin haben in ihre Programme grandiose Nummern eingebaut: Sie räumen Kunst auf, sortieren die „Teile“ mitunter abstrakter Gemälde nach Form, Farbe oder Größe. Würde man die während des Rheingau Musik Festivals gespielten Töne nach der Dynamik arrangieren, könnte in der „Rubrik Pianissimo“ wiederum ein ganzes Konzert zusammenkommen: der Auftritt von Joachim Held in der Mittelheimer Basilika.

Die Laute war eines der beliebten Instrumente der Renaissance und des Barock. Das Programmheft informiert gar darüber, dass sie dereinst der wartenden Kundschaft gereicht wurde, wo heute „Das goldene Blatt“, die „Aktuelle“ oder „Frau im Spiegel“ für Ablenkung sorgen: beim Friseur! Komponisten und Werke für dieses Saiteninstrument gab es viele, von denen nicht wenige (zu Unrecht) der Vergessenheit anheim gefallen sind.

Adam Falckenhagen (1697-1756) oder Bernhard Joachim Hagen (1720-1787) sind solche Tonsetzer, die das Konzert mit dem Lautenisten Joachim Held jetzt in den Fokus rückte und ihnen den ersten Teil des „Schwanengesang der Laute“ widmete. Die Sonate c-moll Falckenhagens geriet dem Instrumentalisten mit dynamischer Finesse, die die Echoeffekte besonders schön herausstellte. Im Tempo giusto des dritten Satzes flirrten die Akkorde wie flackernde Kerzen und bildeten einen geschmackvollen Gegensatz zum ruhigen Fluss des vorangegangenen Allegros.

Nicht ganz so geschmeidig wie die Falckenhagen-Sonate kam ihr B-Dur-Pendant aus der Feder Hagens daher, denn sie wirkt eher wie ein klangliches Mosaik, dessen Teile immer wieder variiert werden. Hier stellte Joachim Held jedoch Einfühlungsvermögen und wortwörtliches Fingerspitzengefühl unter Beweis und ließ auch jenes, etwas sperrigere Werk entspannt in den Kirchenraum von St. Aegidius fließen.

Überhaupt diese Ruhe: Die Lautenmusik des Barock besteht vor allem aus kontemplativen Klängen, in die man sich versenken, in ihnen versinken kann. Ohne Frage dürfte der Auftritt Joachim Helds wohl tatsächlich einer der „leisesten“ des Festivals gewesen sein, der dadurch doch umso „lauter“ nachklang: In der Hektik des Alltags haben solche Inseln der scheinbaren Regungslosigkeit einen hohen Stellenwert.

Zwischen den beiden „großen Unbekannten“ erklang mit zwei für Laute bearbeiteten Arien aus „Cleofide“ ein bereits etwas geläufigerer Name: Johann Adolf Hasse (1699-1783). Im zweiten Part wurden dann mit Silvius Leopold Weiss (1687-1750) und Johann Sebastian Bach (1685-1750) zwei Meister der Laute – Weiss als Interpret wie Tonsetzer und Bach als Komponist, der das Instrument nicht spielen konnte und daher die Ansprüche an die Interpreten seiner Musik fast zu hoch schraubte – zu Gehör gebracht.

Weiss‘ B-Dur-Sonate gelang Held mit gediegenen auf- und absteigenden Linien in der Allemande, einer verträumten Sarabande und vitalem Presto im Finale. Von Bach hatte der Künstler keine Originalkomposition für Laute, sondern die Suite g-moll (BWV 995), eine vom Thomaskantor selbst gesetzte Übertragung der Suite für Violoncello Nr. 5 in c-moll (BWV 1011) gewählt, die die fesselnd ruhige Atmosphäre des Konzerts noch einmal konzentrierte.

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