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Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergötzung

MITTELHEIM – Findet auf internationaler Ebene ein Gipfeltreffen statt, bedeutet das wochenlanges Brimbamborium, viel Polizei und zuweilen verschweißte Gullideckel. Das Rheingau Musik Festival macht um so etwas weit weniger Aufhebens: In der Mittelheimer Basilika St. Aegidius waren es jetzt zwei große Komponisten, die sich fanden: Johann Sebastian Bach und Jean-Marie Leclair.

Somit trafen sich auch zwei Stile: der französische und der italienische – Erhabenheit auf der einen, tänzerische Leichtigkeit auf der anderen Seite. Bach beherrschte beide meisterlich. Im „zweyten Theil der Clavier Ubung“ finden sich ein „Concerto nach Italiaenischem Gusto“ und eine „Ouverture nach Französischer Art vor ein Claviercymbel mit zweyen Manualen Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergötzung verfertiget“.

Die Interpreten des Abends waren Bertrand Cuiller (Cembalo) und Jocelyn Daubigney (Traversflöte). Auch dies war ein kleines Gipfeltreffen, wobei besonders letzterer sich als Überraschung des Abends erwies: Er stand für das, wovon heute so oft die Rede ist: Entschleunigung – wobei sich dies weniger im Tempo, sondern vor allem in der Dynamik niederschlug. Mehr als ein sattes Mezzoforte ließ sich Daubigney nicht entlocken und das Publikum dadurch gleichermaßen ge- und entspannt aufhorchen.

Zuerst stellten die Musiker Leclairs e-moll-Sonate Nr. 1 vor – eine kluge Wahl, denn der Bekanntheitsgrad der Bachwerke – die Flötensonaten BWV 1034 und 1035 sowie die a-moll-Partita für Flöte solo – hätte das feine Spiel Daubigneys überlagert. So präsentierte man mit der Musik des eher als Violinisten bekannten Franzosen zwei Überraschungen: das Stück an sich und das auf Zurückhaltung basierende Spiel des Flötisten.

Leise, wie von ferne erklang sein Instrument. Ganz zärtlich und ohne Druck oder Kraft gestaltete er die Verzierungen, die Praller, Triller, Bögen und Bindungen. Man meinte fast, Daubigney improvisiere, so introvertiert und in sich ruhend ist sein Spiel: Der letzte Ton schwingt stets, bevor er verklingt, ja entschwindet.

Verblüffend war daher die Adaption der Partita. Nach den atemberaubenden Tempi in Bachs e-moll-Sonate und in den ersten Sätzen des Solostücks erwartete man gerade in der Sarabande eine zarte Melancholie. Doch Daubigney ging auch dieses Stück recht forsch an, ließ die Wiederholung der Einleitung weg und entriss es der gewohnten Verträumtheit. Das musste nicht unbedingt gefallen, eröffnete jedoch technisch perfekt wie stilistisch wohl ausbalanciert neue Horizonte und erinnerte ein wenig an die Auseinandersetzung Reinhard Goebels und des Ensemble Musica Antiqua Köln mit Bachs Brandenburgischen Konzerten aus dem Jahr 1987.

Etwas verloren wirkte in diesem Konzert leider das Solostück für Cembalo: Bertrand Cuiller ging die Französische Ouvertüre f-moll (BWV 831) aus dem genannten Bachschen Konvolut mit recht eigenwilligem Ductus an, als spiele er das Stück auf einem Konzertflügel. Das ist an sich kein Problem, ja sogar oft wünschenswert – problematisch allerdings, wenn man statt des Pianoforte eben „nur“ ein „Clavierzymbel“ zur Verfügung hat. Denn dies ergab jedoch Brüche, die das Instrument mit seinem strengeren Klang zuweilen störend offenlegte.

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