Auf den Flügeln des Gesangs
ANDERNACH – Im gediegenen Ambiente von Burg Namedy rückten Juliane Banse (Sopran) und der Liedpianist Wolfram Rieger neben Franz Liszt und Benjamin Britten vor allem Felix Mendelssohn-Bartholdy in den Mittelpunkt und schenkten sich und dem Publikum zum 200. Geburtstag des Komponisten ein wunderbares Konzert.
Juliane Banses Sopran ist sinnlich und reich an Nuancen. In allen Dynamiken stets präsent stört im lautesten Fortissimo kein Klirren und auch ein leise hingehauchtes Pianissimo erstirbt nur, wenn die Sängerin es ihm erlaubt. Nie stört ein zu intensives, flatterndes Tremulieren, stattdessen beeindruckt die Stimme mit einem leichten, kaum hörbaren Flirren.
Und immer beachtet Banse peinlich genau das Gleichgewicht zwischen Klang und Sprache, steckt doch in der Sängerin, bei der sich Lied und Oper die Waage halten, auch eine gute Portion Schauspielkunst: Sie malt mit ihrem Gesang nicht nur Bilder in warmen, klaren und intensiven Farben, sondern erzählt auch geradezu „Stories“: Mendelssohns „Andres Maienlied“ oder das „Reiselied“ sind hierfür beredte Beispiele.
Doch es sind nicht nur die in sich schlüssigen Liedinterpretationen, die aufhorchen lassen. In Heines „Morgengruß“ besingt Banse die Sehnsucht, ohne auch nur ein Gramm Schmalz hineinzulegen. Einzelne Worte werden akzentuiert, wodurch sie dem gesungenen Text geradezu ein Eigenleben einhauchen: Glöckchen läuten, Wellen rauschen, der Wind säuselt und Sporen klirren. Banse nimmt ihre Hörer so unmittelbar ins Geschehen – sei es ein verträumtes Pastell oder eine spannende Geschichte – mit hinein und versinkt selbst so darin, dass man das Gesungene fast körperlich erlebt. Nach Liszts „Vergiftet sind meine Lieder“ scheint sich die Sängerin erst wieder fangen zu müssen, ehe sie den begeisterten Applaus wahrnimmt und ihrem Publikum ein Lächeln schenkt.
Mit Wolfram Rieger hat Juliane Banse einen einfühlsamen Partner an ihrer Seite, der stets perfekt die Balance zwischen der beigeordneten Loyalität eines Begleiters und der eigenwilligen Individualität eines Liedpianisten hält. An vielen Stellen verschmelzen Instrument und Stimme zu einer überzeugenden Einheit, wenn sie „Perlentränentröpfchen“, den „stillen Mondenschein“ oder die „sich heimlich duftende Märchen erzählenden Rosen“ besingen. Letztere Worte stammen aus dem Heine-Lied „Auf den Flügeln des Gesangs“, das dem Konzert auch seinen Namen gab – die Harmonie der beiden Interpreten gewinnt zweifelsohne auch durch den „Gesang“ des Flügels.
Den Abschluss bildet schließlich der Liederzyklus „On this Island“ op. 11 von Benjamin Britten nach Gedichten von Wystan Hugh Auden. Auch im Englischen ist Juliane Banse zuhause und deklamiert die Verse elegant und nobel: Da hört man in „Seascape“ den wiegenden Klang des Meeres und genießt in „Nocturne“ die steigenden und fallenden Arpeggien, auf denen das Lied aufgebaut ist. Banse und Rieger führen einen mit sicherer Hand durch die Architektur von Gedicht und Lied gleichermaßen. Ein spannendes und sinnliches Erlebnis!
SWR2 sendet einen Konzertmitschnitt am 31. Oktober 2009 ab 21 Uhr im Abendkonzert.