Klangliche Aquarelle aus Schweden
MAINZ (24.Oktober 2012). Die Bühne im Frankfurter Hof ist in kühles, blaues Licht getaucht – Bass, Flügel und Schlagzeug warten auf die magischen Hände, die ihnen in wenigen Momenten Klänge entlocken, die das Publikum in eine andere Welt entführen werden.
Zu Gast ist das Tord Gustavsen Quartett aus Schweden und als der Namensgeber die Tasten berührt, Jarle Vespestad die Becken blitzen lässt, Mats Eilertsen über die Basssaiten streicht und Tore Brunborg Alt- und Tenorsaxophon sinnlich atmen lässt, scheint die Zeit still zu stehen.
Das Ensemble ist auf Tour, um seine aktuelle CD „The Well“ zu präsentieren. Das vierte Album enthält Stücke, deren Titel für sich sprechen – eines davon heißt „Communion“: „Wir feiern hier eine Messe“, erklärt Gustavsen denn auch in leisem Englisch – halb im Scherz und mit einem Schuss Ernst, denn der eigenwillige Jazz, den das Quartett interpretiert, ist voller meditativer Momente.
Wie im gemeinsamen Gebet kommunizieren Piano und Drums – wobei Vespestad keinen stringenten Rhythmus vorgibt, sondern seine Felle geradezu melodiös schlägt: Wie ein leises Donnergrollen streicht er über die drei großen Becken und in dieser Synthese crescendieren die beiden Künstler eher spür- als hörbar, bis das Saxophon ein süßes Lamento auf dem fein gestrichenen Basston anstimmt.
Tord Gustavsen gehört fraglos zu den besten Jazzkünstlern Skandinaviens und spielt, da gibt er sich ganz unbescheiden „mit den besten Musikern der Welt“ – im Frankfurter Hof brandet in der Moderationspause nach dem ersten Set bestätigender Applaus auf. Und tatsächlich dokumentiert die gemeinsame Musik, dass sich diese Künstler blind vertrauen können und einander folgen, als bestünde das Quartett nicht aus vier Individuen, sondern eben aus einem einzigen, vierstimmigen Instrument.
Und das malt klangliche Aquarelle von intensiver Farbigkeit: In der „Suite“ entlockt Vespestad seinem Blech mit chirurgischer Präzision Obertöne, der Bass klingt wie flirrendes Morgenlicht und hüllt Gustavsen Tastenakrobatik in anmutig unwirkliches Leuchten. Jeder Song sitzt wie ein maßgeschneiderter Anzug – Standards von der Stange sind nicht die Sache dieses Quartetts.
In „Communion“ kehrt Jarle Vespestad mit dem Besen silbrigen Schnee ins Publikum, Tord Gustavsen kriecht in den Resonanzraum des Flügels und entlockt dem Instrument auch ohne Tasten Klänge, Mats Eilertsen zupft die Basssaiten unterhalb des Stegs und Tore Brunborg komplettiert das bunte Klangkaleidoskop mit warmem, vollem Ton: Fernab von ausgetretenen Pfaden bahnt sich das Quartett seinen Weg durch das tonale Dickicht und entdeckt gemeinsam mit seinen Zuhöreren immer wieder neue Stege in die Welt des Klangs – nicht nur „Communion“ ist ein Glaubensbekenntnis.