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Abendliche Träumereien

MAINZ (25. Januar 2023). Nach dem grandiosen Konzert im Schütz-Jahr 2022 widmete sich der Chor der Hochschule für Musik Mainz jetzt der romantischen Vokalmusik. Im bestens besuchten Frankfurter Hof begeisterten das von Prof. Christian Rohrbach dirigierte Ensemble, Liedpianist Trung Sam und Solisten mit dem Programm „Wie schön hier zu verträumen“.

Zu Beginn findet der Dirigent auch gleich passende Worte: Das Konzert versteht er als einen Rundgang durch eine Gemäldegalerie, für die Komponisten aus Poesie und Klangfarbe stimmungsvolle Klangbilder verfasst haben. Und statt der „alten Schinken“ (Rheinbergers „Nachtlied“ erklingt noch nicht mal als Zugabe) hat Rohrbach mit Kompositionen unter anderem von Schubert („Nachthelle“ und „Ständchen“), Reger („Zur Nacht“ und „Abendlied“) oder Brahms (unter anderem „Der Abend“ und „Nächtens“) ein Programm komponiert, das einem vielleicht das eine oder andere eher unbekannte Stück präsentierte – und womit auch die Choristen sonst sicherlich nicht so intensiv in Berührung gekommen wären.

Der Hochschulchor ist gut besetzt und aufgelegt, überzeugt auf ganzer Linie, was nicht nur an der offenbar exzellenten Vorbereitung liegt: Sind die Stimmen in Jugendchören oft noch auf dem Weg zum fertig ausgebildeten Organ und hat so manche® in größeren Kantoreien diesen Weg schon wieder verlassen, singen in diesem Ensemble ausschließlich junge Erwachsene, was dem Chor auch bei größerer Besetzung einen wendigen und kraftvollen Klang verleiht, ohne dass man sich wie andernorts üblich hierfür professionelle Unterstützung dazukauft.

Am Klavier einfühlsam begleitet von Trung Sam, der seit diesem Semester an der HfM Mainz die Liedklasse leitet, lässt der Chor also wunderbare Klangbilder entstehen. Rohrbach nutzt dabei die Dynamik geschickt für Licht und Schatten, gibt sozusagen kleine Skizzen und große Panoramen in Auftrag. Als Referenz soll der Rheinberger dienen – „Die Wasserfee“ op. 21: „Endlos über Wasser hauchen Nebel“, singt der Chor hier über den zarten Wellenbewegungen des Liedpianisten. Gekonnt spürt der vokale Klangkörper der harmonischen Eloquenz Rheinbergers nach, mit dem dieser das Poem Hermann von Linggs zum Leben erweckt. Transparent und ausgewogen im Klang, sowie deutlich im Duktus überzeugen alle Register und ziehen die Zuhörer wortwörtlich in die Tiefe der Komposition, hin zur einsamen Nixe. Da wird das „Bild“ zum musikalischen Hologramm und ergriffen hört man, wie der Chor im Diminuendo die Wasserfee gleichsam versinken lässt.

An diesem Abend treten auch Solisten auf. In verschiedenen Gruppierungen überzeugen Paula Müller und Johanna Wingerter (Sopran), Jara Kanzler Hemmet und Luisa Sagliano (Alt), David Schläger (Tenor) und David Franke (Bass), vor allem aber Nerea Elizaga Gómez (Sopran), Fabian Kelly (Tenor) und Nicolas Ries (Bass). Man darf immer wieder staunen, auf welch hohem Niveau an der HfM Gesang unterrichtet wird und wie stilsicher sich die kommenden Künstlerinnen und Künstler durch die Epochen bewegen. Einmal mehr wird aber auch deutlich, was die HfM für ein Hotspot der Chormusik ist: Neben dem Hochschulchor begeistern der UniChor des Collegium musicum immer wieder mit spannenden und durchaus ausgefallenen Semesterkonzerten, der ebenfalls dort angesiedelte Gutenberg-Kammerchor als klein besetzter Kantaten- und Oratorienchor sowie die Gutenberg Soloists mit dem Telemann Project und natürlich BarockVokal.

Zum Schluss eine Bemerkung, die notabene eher Anregung als Kritik sein soll: Hegt man zuweilen begründete Vorbehalte gegenüber (oft zu ausführlich) moderierten Konzerten, wären hier ein paar Worte zu den gesungenen Stücken durchaus von Vorteil gewesen, hatte doch Rohrbach zuvor buchstäblich zu einem „Gang durchs Museum“ eingeladen. Da das Programm keinen einführenden Essay beinhaltete (die Texte waren allerdings im Internet hinterlegt), wären wenige Sätze zu den einzelnen Stücken nicht fehl am Platz gewesen und hätten den Spannungsbogen auch nicht über Gebühr gestört. Doch gleichviel: Auch ohne Expertise en miniature klangen die einzelnen Bilder noch lange nach. Und weckten schon heute Neugier auf das nächste Programm des Mainzer Hochschulchors.

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