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Konzertsaal wird zur Kathedrale

FRANKFURT (5. Dezember 2013). Der „Messiah“ von Georg Friedrich Händel ist eines jener Werke des Barock, die sich ihren Platz im kulturellen Erbe der Menschheit wie in Stein gehauen errungen haben. Und er ist immer wieder eine Herausforderung an die Aufführenden, nicht nur für Rekordjäger: Mozart bearbeitete ihn in deutscher Textfassung, hundert Jahre nach Händels Tod wurde das Original mit einem Chor von über 2.700 Sängern aufgeführt, 1883 holte man sogar 4.000 Stimmen und 500 Instrumentalisten auf die Bühne.

Da liebt es Ton Koopman mit dem Amsterdam Baroque Orchestra & Choir dankenswerterweise doch sehr viel schlanker. In der Alten Oper erklang Händels Meisterwerk in der brillanten Tonkunst, wie man sie von den Niederländern kennt und erwartet. Manch einer mag geistliche Musik eher im kirchlichen Gemäuer hören, doch Koopman schafft es mühelos, Konzertantes und Sakrales zu verbinden, so dass der große Saal zur Kathedrale wird.

Das gelingt dem agilen Dirigenten mit einer meditativ inspirierten und doch gleichsam packend vitalen Herangehensweise an diese Jahrhunderte alte Musik – und weil er ein exquisites Ensemble an seiner Seite weiß, das den gleichen musikalischen Herzschlag hat: „Behold, I tell you a mystery“, intoniert Bass Klaus Mertens im dritten Teil des „Messiah“ – und man fühlt sich so persönlich angesprochen, dass man die mehr als 2.000 Mithörer um sich herum schlagartig vergisst.

Nicht nur Mertens trägt seine Arien und Rezitative mit britischer Noblesse und Eleganz vor, dass es eine Freude ist: Johannette Zomer bezaubert mit süß-luftigem, und doch kraftvollem Sopran, dessen dezente Aura den verkündenden Engel im ersten Teil geradezu verkörpert! Altus Maarten Engeltjes singt einnehmend zärtlich von den weidenden Schafen und Tenor Jörg Dürmüller erweist sich als objektiver Psalmist, der mit kultiviertem Timbre das Oratorium trostvoll eröffnet: „Comfort ye!“ Ins Textbuch braucht man an diesem Abend kaum zu blicken.

Und erst Chor und Orchester! Dass Amsterdam Baroque Orchestra & Choir die Epoche im Namen tragen, ist ihnen eben Verpflichtung: Im perfekten Zusammenspiel sind Intonation wie Diktion der 21 Stimmen hier eine einzige Punktlandung, ohne dass es je affektiert wirkt. Und ein so perfekt durchhörbares Kunstenglisch in allen Registern ist selbst bei Profis keine Selbstverständlichkeit.

Trotz aller Virtuosität lebt dieser „Messiah“ jedoch von der Reduktion: Statt großer Gesten schätzt Koopman dynamische und agogische Miniaturen, die er aber umso wirkungsvoller in Szene zu setzen weiß. Und auch wenn das Werk das komplette Leben Jesu von der Verkündigung bis zur Auferstehung wiedergibt, so ist es in der lauten und überbelichteten Vorweihnachtszeit doch gerade die frohe Botschaft, die in dieser Aufführung die Herzen der Zuhörer wie eine einzige Kerze warm erhellt. Und das schaffen eben keine voltbetriebenen Lichterketten.

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