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Genie und Wahnsinn

MAINZ (23. September 2018). Er ist einer der großen Komponisten der Romantik: Robert Schumann. Sinfonien, Ouvertüren, Konzerte und die Oper „Genoveva“ stammen aus seiner Feder; die Kammermusikwerke, Lieder und vor allem Klavierstücke prägen bis heute das Musikrepertoire.

Eckdaten der Biografie Schumanns sind geläufig: Eine Handverletzung verhinderte die Laufbahn als Klaviervirtuose, er gründete in Leipzig die „Neue Zeitschrift für Musik“, heiratete die berühmte Pianistin Clara Wieck, mit der er acht Kinder hatte. Am Rosenmontag des Jahres 1854 unternahm er einen Selbstmordversuch und wurde daraufhin in die private Irrenanstalt des Arztes und Psychiaters Franz Richarz eingewiesen, wo er, heimgesucht von Halluzinationen und Tobsuchtsanfällen, zwei Jahre später verstarb.

Diesem dunklen Kapitel von Schumanns Biografie widmet sich Matthias Brandt in seiner aktuellen Lesung im Mainzer Staatstheater. Der charismatische Schauspieler, der bedauerlicherweise demnächst seinen Dienst als Hauptkommissar Hanns von Meuffels nach im Münchner „Polizeiruf 110“ quittieren wird, war schon diverse Male als Vortragskünstler in Mainz zu Gast. Im vergangenen Jahr durfte das Publikum ihn mit Auszügen aus seiner lesenswerten Geschichtensammlung „Raumpatrouille“ erleben und bereits in früheren Projekten „Angst“ und „Psycho“ hatte Brandt (stets gemeinsam mit Pianist Jens Thomas) tiefe Blicke in die menschliche Seele geworfen.

Die aktuelle Collage aus Wort und Klang trägt den Titel „Krankenakte Robert Schumann“ und hat eine literarische Vorlage: 1996 erschien die Roman-Biografie „Schumanns Schatten“ des im vergangenen Jahr verstorbenen Autors Peter Härtling, der 1995 der elfte Mainzer Stadtschreiber und Mitglied der Akademie der Wissenschaft und der Literatur war. Was dem Schriftsteller hierin gelang, nämlich die schwierige Persönlichkeit des Komponisten und sein Leiden vor dem geistigen Auge des Lesers geradezu plastisch abzubilden, bekommt durch den Vortrag an diesem Abend eine weitere Ebene, die die eines Hörbuchs rasch hinter sich lässt.

Denn Matthias Brandt liest nicht, er zelebriert. Die klangvolle Sprache Härtlings (wenn „Schumanns Schatten“, der Pfleger Tobias Klingelfeld, zu Wort kommt) wechselt mit den verbalen, Gefühlsausbrüchen des Komponisten, untermalt von Pianist Jens Thomas: Schreien, Kichern, Singen, Flüstern – zuweilen scheint Brandt die Silben fast zu erbrechen, stottert, stöhnt.

Das geht nahe, touchiert bewusst die Grenze des Erträglichen und nicht nur beim Anblick dieser innerlich gebrochenen Kreatur verspürt man die eigene Hilflosigkeit, ein Ausgeliefertsein – und kommt Schumann dadurch doch ganz nah. Die Klangkulisse von Jens Thomas, in der auch Schumanns Musik durchschimmert, und der starke Textvortrag Brandts, dieses Schwanken zwischen Aggressivität und Schwermut, verbinden sich zu einem intensiven Hörerlebnis. Ein großartiger, ein tieftrauriger Abend.

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