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Musik wie ein klingendes Kaleidoskop

MAINZ (21. Dezember 2014). Mit der Musik ist es wie mit einem geschmückten Tannenbaum: Der eine wünscht sich überbordende Farbigkeit, der andere zieht die schlichte Zier des weihnachtlichen Grüns vor. Die Marienvesper von Claudio Monteverdi (1567-1643) aber, mit der die Musica Sacra am Dom ihr diesjähriges Domkonzert am letzten Adventssonntag gestaltete, bietet für jeden etwas: innige Momente und prachtvolle Polyphonie.

„Es gibt Musik, die scheint wie für diese Kathedrale geschrieben“, urteilten die Tonmeister, die die jüngste CD der Mainzer Domchöre mit Werken von Hans Leo Hassler aufnahmen. Hier hat die opulente Akustik des Gotteshauses fast schon eine tragende Rolle, die Domkapellmeister Karsten Storck auch bei Monteverdi bestens in Szene zu setzen verstand.

Und das durfte man durchaus wörtlich nehmen: Nach dem solistischen Introitus des Tenors setzt das Tutti ein: ein beeindruckend opulenter vokaler Klangkörper aus Domkantorei St. Martin und Domkammerchor sowie dem durch Bläser erweiterten Mainzer Kammerorchester auf historischen Instrumenten. Dazu ziehen die Knaben des Mainzer Domchores würdevoll ein und begeben sich in den Gesamtchor, der den Abend über immer wieder seine Position und Besetzung wechseln wird – Monteverdi hat dies als eines der vielen Stilmittel verwendet, die seine „Vesperae Beatae Mariae Virginis“ so spannend machen.

Chöre und Instrumentalisten sind bestens aufgelegt und werden von Karsten Storck souverän und mit sicherer Hand geführt. Vor allem im brausenden Fortissimo, das den Hörer in ein packendes Klangbad hineinzieht, aber auch mit reizvoller Binnendynamik geben die Musiker jeder gesungenen Partie ihre eigene Bedeutung. Dabei merkt man stets, mit welcher Begeisterung auch die jüngsten Sänger dieses Werk singen.

Überwältigte eben noch das monumentale Tutti, besticht im nächsten Moment die solistische Miniatur. Hierfür hatte Storck ein erlesenes Ensemble engagiert: Victoria Braum, Sabine Goetz und Johanna Rosskopp mit strahlendem Sopran, Thilo Dahlmann mit kernigem Bass sowie Frederik Bak mit kraftvollem und Christian Rathgeber mit nobel schlankem Tenor. Für den erkrankten Daniel Sans war kurzfristig Tenor Thomas Dewald eingesprungen, der den Löwenanteil der anspruchsvollen Solopartien zu bewältigen hatte.

Faszinierend in der Marienvesper ist Monteverdis schöpferische Vielfalt, die Storck einem klingenden Kaleidoskop gleich vorstellte. Dabei wurde der gesamte Kirchenraum des bis auf den letzten Platz besetzten Doms mit einbezogen und verschiedentlich in Fernchören musiziert, was zuweilen wunderbar sphärisch gelang: Im Duett von Dewald und Rathgeber sang letzterer das Echo derart bewegend, dass man meinte, es käme geradewegs vom Himmel – ein feierliches Finale der Domkonzerte im Jahr 2014.

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