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Emotionale Sinfonik

MAINZ (17. Dezember 2916). Die Musik von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky lässt sich fast mit einem Wort beschreiben: Emotion. Das war auch zu spüren als der Geiger Michael Barenboim mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Hubert Soudant das berühmte D-Dur-Konzert op. 35 des russischen Komponisten intonierte. Doch der Reihe nach, denn das letzte Mainzer Meisterkonzert in diesem Jahr widmete sich programmatisch ausnahmsweise nur einem einzigen Komponisten und gipfelte in Tschaikowskys e-moll-Sinfonie op. 64.

Opus 31, der Slawische Marsch, eröffnete die sinfonische Soiree: „Gott erhalte den Zaren“, so lautete die damalige russische Nationalhymne, die in diesem Werk mit serbischen Volksliedern kombiniert wird. Das 1876 in Moskau uraufgeführte Werk hatte seinerzeit vor allem einen programmatisch-politischen Impetus, weswegen heutige Interpreten die zeitlich-inhaltliche Distanz mit ihrer Adaption zu überbrücken haben. Den Staatsphilharmonikern gelang dies, indem sie bei allem martialischen Effekt, der diesem Werk innewohnt, ihre Akzente eher beim Musikantischen setzten. Somit wurde der Patriotismus gleichsam ins Sinfonische übersetzt, ohne jedoch den pathetischen Ursprung zu übertönen.

Obgleich die finale Sinfonie Nr. 5 den Höhepunkt bildete, war man doch besonders gespannt, wie sich der Solist des Abends dem raumgreifenden Violinkonzert nähern würde. Das Werk, das bei seiner Uraufführung 1881 in Wien bei den Kritikern erst mal auf Unverständnis stieß, fordert vom Interpreten beachtliche technische Finesse. Für Michael Barenboim schien dies allerdings eher spannende Herausforderung als harte Arbeit zu sein – denn die ist das Spiel von Opus 35 zweifelsohne.

Im Interview mit dieser Zeitung hatte der Künstler vorab auf die Emotionalität des Werks hingewiesen, was er jetzt mit einem Ton ausdeutete, der auch ohne Penetranz eine gewichtige Eindringlichkeit besaß. Barenboims Spiel ist wunderbar melodiös und konnte vor der herausragenden Pianokultur der Staatsphilharmonie besonders leuchten. Vor allem die lyrische Canzonetta blieb einem mit ihrer sphärischen Entrücktheit, die ihr die Musiker schenkten, noch lange im Gedächtnis.

Schließlich dann das große Finale, die fünfte Sinfonie Tschaikowskys, die trotz ihres opernhaften Farbenreichtums eher konventionell gehalten ist. Bei diesem Werk orientierte sich der Komponist an einem Leitthema, das Interpreten und Zuhörer durch alle vier Sätze hindurch begleitet. Besonders betörend war zu Beginn des zweiten Satzes das samtige Duett von Horn und Klarinette. Hubert Soudant kitzelte aus dem Klangkörper vom fein begonnenen Bogen bis hin zur kraftvollen Entladung mannigfaltige dynamische Schattierungen heraus und verlieh dem gut 50-minütigen Werk dadurch eine markante Kontur, die bis zur feierlichen Coda anhielt.

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