Tiefenentspannte Momente
MAINZ (23. Dezember 2017). Entweder der Interpret oder die Musik, die er spielt, muss bekannt sein, lautet eine Konstante für Veranstalter. Insofern überraschte es kaum, dass die Reingoldhalle zum letzten Mainzer Meisterkonzert bis auf den letzten Platz ausverkauft war: Auf dem Programm, das die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz zum Besten gab, standen Ludwig van Beethovens viertes Klavierkonzert und die neunte Sinfonie „Aus der neuen Welt“ von Antonín Dvořák.
Die Solistin des Abends, die gerade mal 20-jährige Pianistin Aurelia Shimkus, und der acht Jahre ältere Gastdirigent der Staatsphilharmonie, Christian Reif, hingegen dürften dem Publikum noch eher unbekannt sein, stehen sie doch erst am Anfang ihrer Karriere. Aber gerade dies ist ein Markenzeichen der Meisterkonzerte: Talente und vielleicht ja die großen Namen der Zukunft schon heute zu präsentieren. Immerhin erhielt Shimkus für ihre CD mit Bach-Werken 2016 den „ECHO-Klassik“ und Reif wurde im gleichen Jahr vom deutschen Dirigentenforum in die Künstlerliste „Maestros von Morgen“ aufgenommen.
Zu Recht: Das Dirigat des Künstlers ist klar und deutlich, so dass er mit den Musikern der Staatsphilharmonie zur beeindruckenden Symbiose verschmilzt. Das Orchesterspiel ergibt ein akkurates Spiegelbild und jedes noch so kleine Detail dynamischer Art wird sofort umgesetzt. Da ist die Fantasieouvertüre „Wintermärchen“ des in Russland geborenen und zum polnischen Nationalmusiker aufgestiegenen Stanisław Moniuszko (1819-1872) eine fulminante Eröffnung mit rasantem Melodiefluss. Schon hier merkt man den gemeinsamen Herzschlag von Dirigent und Orchester, der den Abend über für pulsierende Spannung sorgt.
Und dann Beethoven, dem das Publikum entgegenfiebert: Aurelia Shimkus scheint über die Tasten zu fliegen, so feengleich und hauchzart gelingen ihr die filigranen und trillerseligen Läufe. Das Orchester lässt sich davon zu einer delikaten Transparenz inspirieren, vor dem sich das lichte Spiel des Piano abhebt. Vielleicht hört man in den Solokadenzen einen Hauch zu viel Pedal, doch ist Shimkus‘ Spiel zu sphärisch, um sich länger damit aufzuhalten. Überraschend ist allerdings der zweite Satz, weil die Pianistin den agogischen Widerspruch zwischen dem drohenden Orchester und ihrem milden Solo nicht allzu sehr auskostet, was der Musik etwas von ihrer Jenseitigkeit nimmt.
Als Finale gefällt die Staatsphilharmonie mit Dvořák, auch wenn die Blechbläser an exponierter Stelle nicht immer so blitzsauber wie an anderer Stelle einsetzen. Dafür betört einen im Largo das ganz leicht tremolierende Solo der Oboe und schenkt tiefenentspannte Momente. Die Sinfonie lebt vom jähen Wechsel zwischen Rasanz und Entschleunigung, was Christian Reif und das Ludwigshafener Orchester an diesem Abend überzeugend zum Ausdruck bringen.