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Jazz-Klänge und elegischer Ton

MAINZ (9. Dezember 2018). Zuallererst beste Genesungswünsche an Sharon Kam: Die Klarinettistin war eigentlich als Solistin für das jüngste Mainzer Meisterkonzert mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie aus Koblenz verpflichtet worden, litt laut Veranstalter jedoch während der Probearbeiten unter Hörproblemen in Verbindung mit Gleichgewichtsstörungen – neben Frakturen der Extremitäten sind solche Malaisen wohl das Schlimmste, was einem Bläser passieren kann. Als Ersatz konnte jedoch kurzfristig Dimitri Ashkenazy gewonnen werden. Und ja – die Frage nach den verwandtschaftlichen Verhältnisse drängt sich natürlich auf: Er ist der Sohn des russischen Pianisten.

Künstlerisch ist der 49-jährige Dimitri Ashkenazy natürlich seit Jahren eine eigenständige Persönlichkeit. Und das dokumentierte er mit dem Konzert für Klarinette und Streichorchester mit Harfe und Klavier von Aaron Copland (1900-1990) eindrucksvoll. Der Auftrag für dieses Werk kam 1947 vom Swing-King Benny Goodman, der zuweilen ja auch klassische Werke interpretierte. Im zweiten Teil des Copland-Konzerts brechen dann auch jazzige Klänge durch und erinnern an die zuvor gehörten „Three Dance Episodes“ aus „On the Town“ von Leonard Bernstein, dessen hundertsten Geburtstag die Musikwelt in diesem Jahr gebührend feierte und der im gleichen Jahr wie Copland starb.

Zu Beginn des Solokonzerts im Kurfürstlichen Schloss fährt die Klarinette geradezu zärtlich über den Streicherklang. Wie selbstvergessen schwebt Ashkenazys Spiel über allem: Wird er begleitet oder begleitet er die anderen? Aus dieser prickelnden Indifferenz entsteht die Spannung der Musik: Alles ist eng miteinander verwoben. Neben dem wunderbaren Ton des Künstlers begeistert vor allem die Tatsache, wie schnell und überzeugend er sich mit dem Klangkörper vermählen konnte. Sein kantables Spiel atmet eine ungeheure Weite, die vor allem in der Solokadenz zwischen Elegie und Jazz zum Tragen kommt.

Der zweite Teil des Abends widmet sich der achten Sinfonie von Antonín Dvořák (1841-1904). Und hier wagt Garry Walker, seit der Spielzeit 2017/2018 Chefdirigent der Rheinischen Philharmonie, einen irritierenden Ausfallschritt: Allegro con brio lautet die Tempoangabe des ersten Satzes – also „mit Schwung“; Walker jagt sein Orchester jedoch dermaßen schnell durch die Musik, dass man zwar imponierend beweist, was agogisch möglich ist, darüber hinaus eine künstlerische Aussage aber eher schuldig bleibt. Dieser Parforceritt zieht sich jedoch nicht durch das ganze Werk, so dass unterm Strich auch der Dvořák gefällt.

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