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Von Melodien umbraust

MAINZ (28. April 2019). Derzeit geht es Schlag auf Schlag und im Zwei-Wochen-Rhythmus finden die Mainzer Meisterkonzerte im Kurfürstlichen Schloss statt. Bis zum Jahresende bleibt man renovierungsbedingt im barocken Gemäuer, bevor es dann im kommenden Frühjahr wieder in der Rheingoldhalle weitergeht.

Die jüngste Soiree war indes eine besondere, denn hier trat mit Pinchas Zukerman nicht nur ein grandioser Geigenvirtuose, sondern geradezu eine Legende seiner Zunft auf. Mit dem Konzert für Violine und Orchester h-Moll op. 61 von Edward Elgar (1857-1934) verzauberte er das Publikum im ausverkauften Schloss und zeigte, wie man in der Musik gerade mit einer fast schon demutsvollen Zurückhaltung ein Publikum zu tosendem Applaus bringen kann. Dies gelang ihm im perfekten Einklang mit der Deutschen Staatsphilharmonie, die hier schon mal mit ihrem künftigen Chefdirigenten, dem Briten Michael Francis musizierte.

„Very british“ war denn auch das Motto des Konzerts: Nach Elgar präsentierte man mit Ralph Vaughan Williams (1872-1958) einen weiteren großen Tonmeister von der Insel. Und fast alles, was man sich unter dem Titel vorstellen mochte, wurde von Pinchas Zukerman geradezu verkörpert: Das Spiel des 70-jährigen stand für die erwähnte (und sympathische Zurückhaltung), echte Eleganz und einen aristokratischen Ton, dem es jedoch nie an Wärme fehlte. Um kein Klischee zu bedienen verbietet es sich natürlich, von „schluchzenden Glissandi“ zu sprechen: Vielmehr gab Zukerman seinen Intervallen eine tief empfundene Melancholie. Aus gleichem Grund mag man seine Läufe nicht „feurig“ nennen, aber sie sprühten eben nur so von Energie und Spannung.

Selbstvergessen und sich ganz der Musik hingebend spielte Zukerman Töne von unglaublicher Feinheit. Und wenn „very british“ allgemeinhin auch für eine gewisse Abgehobenheit stehen mag, so traf das insofern auch hier zu: Zukermans Spiel schwebte zuweilen über dem Orchester. Vor allem, als im Andante nacheinander Streicher, Bläser und Tutti wunderbar weich einsetzten, um mit Pinchas Zukerman innig Zwiesprache zu halten, waren dies Augenblicke einer Sternstunde in der bald dreißigjährigen Geschichte der Mainzer Meisterkonzerte.

Obwohl Ralph Vaughan Williams‘ zweite Sinfonie G-Dur den Titel „A London Symphony“ trägt, ist sie keine Programmmusik. Dennoch finden sich natürlich Anklänge wie der zitierte berühmte Big-Ben-Glockenschlag, der derzeit ja aufgrund von Renovierungsarbeiten verstummt ist. Die Staatsphilharmonie erweckte London jedoch zu prallem Leben und tauchte mit dem Publikum tief ins turbulente Großstadtgeschehen ein. Dirigent Francis ließ das Fresko der Großstadt in leuchtenden Farben abbilden. Auch wenn dieses Werk für den Schlosssaal etwas überdimensioniert schien, erlebte man mit Vaughan Williams einen Meister der Modulation wie effektvoller rhythmischer Brücke und fühlte sich letztendlich von den Melodien ergriffen umbraust.

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