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Musik für die Seele

MAINZ (5. Oktober 2014). Das zweite Mainzer Meisterkonzert der Saison trug als Titel einen Namen, der die Herzen von Geigenfreunden in aller Welt höher schlagen lässt: Stradivari. Gemeint war natürlich jener italienische Geigenbauer, dessen Instrumente heute zu den besten der Welt zählen. Eine davon spielt der Gaststar des Abends: Sergej Krylov musizierte mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie unter der Leitung von Daniel Raiskin das D-Dur-Violinkonzert op. 35 von Peter Iljitsch Tschaikowski (1840-1893).

Laut Fachliteratur existieren heute noch über 600 Instrumente aus der Werkstatt jenes Antonio Giacomo Stradivari (1648-1737), der seine Geigen aus besonderem Holz, mit eigener Lackierung und in bestimmten Formen schuf. So meinten Physiker herauszuhören, dass der Klang dieser Violinen eher der menschlichen Stimme ähneln würde als der anderer. „Blindtests“, bei denen Musiker Stradivaris mit modernen Instrumenten zu vergleichen hatten, widerlegten jedoch den Nimbus, da oft letztere bevorzugt wurden. Gleichviel: Stradivaris sind hochgeschätzt und mit bis zu elf Millionen Euro auch nicht gerade billig.

Unabhängig vom Wert seines Instruments, der „Scotland University“ von 1734 aus der Sau-Wing Lam Collection, war das Spiel Krylovs bei Tschaikowski jedoch jeden Cent des Kartenpreises wert: Seine Kantilenen und die Solokadenz im ersten Satz erklangen mit einer bestechenden Mixtur aus zartem Schmelz und voluminösem Ton, seine Läufe so selbstverständlich und unangestrengt, als wären es unbewusste Fingerübungen. Die Themenwiederholungen hörte man mal tänzerisch verspielt, mal dicht und eindringlich – der Ton Krylovs schuf eine Intimität, die die „restlichen“ Musiker und auch die Mitzuhörer „ausblenden“ konnte, so dass man sich allein mit diesem großartigen Künstler wähnte.

Die Canzonetta des zweiten Satzes war schlicht Musik, die der Seele gut tut und das Finale erklang so vital, dass es das Publikum in der Rheingoldhalle nicht auf den Stühlen hielt. Mainz feierte Sergej Krylov mit lang anhaltendem Applaus und der gab gerne eine Zugabe: Bach, eine Bearbeitung von BWV 565 (Toccata und Fuge in d-moll) von Bruce Fox-Lefriche – so elegant und intensiv gespielt, als handele es sich tatsächlich um eine Violinsonate und nicht um das wohl bekannteste Werk deutscher Orgelmusik. Erneut stürmischer Applaus.

Den hatte sich natürlich nicht nur der Solist verdient, sondern auch das Staatsorchester Rheinische Philharmonie: Waren die Musiker bei Tschaikowski einfühlsame Begleiter, erwiesen sie sich in der Konzertouvertüre E-Dur op. 12 von Karol Szymanowski (1882-1937) und im Konzert für Orchester von Witold Lutoslawski (1913-1994) als ebenso brillante Hauptdarsteller. Hier zeigte sich, wie perfekt der Klangkörper dem deutlichen Dirigat Raiskins folgte, denn man spürte, dass der in St. Petersburg geborene Maestro in der Musik seiner Heimat aufging – und mit ihm alle Künstler des Abends.

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