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Faszinierende Einblicke ins Werkinnere

MAINZ (21. März 2015). Zwar ist die Jubiläumssaison anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Mainzer Meisterkonzerte noch nicht vorbei, doch ohne vorauszugreifen stellte das jüngste mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Mario Venzago sicherlich einen, wenn nicht den Höhepunkt dar.

Das lag zum einem am exquisiten Spiel des Klangkörpers und dem überaus inspirierten Gastdirigat von Mario Venzago, vor allem aber an der unglaublich intensiven Darbietung des Solisten Stefan Jackiw (Violine). 26 Konzerte schrieb Mozart für das Klavier, für die Violine nur fünf. Das letzte, KV 219, hat etwas Theatralisches und so beginnt Venzago das A-Dur-Konzert wie eine Opernouvertüre, wobei das akzentuierte Spiel des Orchesters eine hochspannende „Handlung“ verspricht.

Wie Recht es damit hat, zeigt im Folgenden das Funken schlagende Wechselspiel zwischen Solo und Tutti. Nicht erst im finalen Rondo entspinnen sich schwungvolle Dialoge. Jackiws erster Einsatz hingegen ist so hauchzart, dass man überrascht die Luft anhält und vor allem in den Solokadenzen fesselt der Solist sein Publikum derart, dass kein Hüsteln oder Rascheln zu vernehmen ist.

Venzago und Jawick jonglieren kunstvoll mit der Dynamik und gerade letzterer vermag derart zu diminuieren, dass man den Ton eher spürt als vernimmt. Überhaupt blendet der Solist den großen Saal, das Publikum nahezu aus: Die Verbindung zwischen Hörer und Interpret ist exklusiv, geradezu intim – ein Hörerlebnis der besonderen Art. Dem Solospiel geht jegliche Schärfe ab, Kontur aber hat es umso mehr: Unaffektiert ist es und daher überirdisch schön. Das Mainzer Publikum weiß, das Szenenapplaus zwischen den Sätzen nicht zum guten Ton gehört – diesem Künstler hätte er zugestanden.

Im zweiten Teil dann Bruckner: Mit dessen Musik beschäftigt sich die Staatsphilharmonie nicht erst seit der Vorbereitung auf dieses Meisterkonzert. Bereits im vergangenen Jahr eröffnete man mit der neunten Sinfonie die Reihe „Kathedralklänge“, in der sämtliche Bruckner-Sinfonien in den rheinland-pfälzischen Domen in Mainz, Speyer, Trier und Worms zur Aufführung kommen werden. Und mit Dirigent Mario Venzago hatten die Musiker einen weiteren Bruckner-Fachmann vor sich: Demnächst vollendet der Schweizer Künstler eine Gesamteinspielung der Sinfonien beim renommierten Klassik-Label „cpo“.

Bruckners zweite Sinfonie steht äußerst selten auf den Spielplänen, weswegen das Meisterkonzert-Publikum doppelt beschenkt wurde: Wird Bruckner meist „mit viel Putz“ aufgeführt, macht sich Venzago daran, gleichsam das Fachwerk der Musik freizulegen und ermöglicht faszinierende Einblicke in das kompositorische Konstrukt.

Bruckners Sinfonik erinnert stark an die Orgelmusik – doch wo andere alle Register ziehen, hört man in der Deutschen Staatsphilharmonie mit Bedacht ausbalancierten Klang. Sphärische Entrücktheit im Andante, überschäumende Spielfreude im Scherzo und unbedingte Transparenz auch in den dynamisch größer dimensionierten Passagen – durch diese phasenweise fast schon kammermusikalische Reduktion des Sinfonischen durfte man Bruckner neu entdecken.

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