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In allen Epochen zuhause

MAINZ (26. Juli 2013). Zwar hat der Dom seine neue Spitze längst bekommen, doch machten die Umbaumaßnahmen des Gotteshauses für den Mainzer Musiksommer und sein Eröffnungskonzert einen Ausflug in die nahe gelegene St. Stephanskirche notwendig. Im voll besetzten Kirchenschiff erlebte das Publikum ein Chorkonzert allererster Güte: Flankiert von den Mainzer Dombläsern und Domorganist Daniel Beckmann sang der Domkammerchor ein anspruchsvolles Programm, das stilistisch vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart reichte.

Mainz kann sich glücklich schätzen, dass die Musica sacra am Hohen Dom so engagierte und talentierte wie musikbegeisterte Menschen bindet: Aus der Domkantorei St. Martin, dem Mädchenchor am Dom und St. Quintin sowie dem Mainzer Domchor hat Domkapellmeister Karsten Storck die besten Stimmen im Domkammerchor zusammengeführt. Und schon nach wenigen Stücken des Abends war klar: Dieses Ensemble möchte man gerne öfters hören! Denn der kompositorische Zeitstrahl, der von Giovanni Pierluigi da Palestrina über Guiseppe Verdi und Gioachino Rossini bis John Rutter reichte, machte deutlich, wie sehr der Domkammerchor in allen Epochen beheimatet ist.

Schöne, zielführende Bögen, kleine, aber feine Akzente wie Schweller, Diminuendi und Ritardandi bestimmen das „Sicut cervus“ Palestrinas, dem Storck dessen „Ascendit Deus“ entgegenstellt: Mit frischem Tempo, Transparenz durch klare Stimmführung und elegant abgefedertem Schlussakkord gelingt die Überleitung zur „Suite à 5“ für Blechbläser von Matthew Locke: Der Klang der Mainzer Dombläser ist präsent und so strahlend wie das Licht, das sich im goldenen Blech der Instrumente spiegelt.

Erhaben tönen auch die Stücke der von der Orgel begleiteten Bläser: Die „Canzoni per sonare“ lassen einen sich fast ehrfurchtsvoll erheben, weil gleich ein kirchlicher Würdenträger oder weltlicher Herrscher zu seiner Krönungszeremonie um die Ecke biegen könnte. An der imposanten neuen Klais-Orgel in St. Stephan brilliert Daniel Beckmann auch solistisch in der Orgelbearbeitung Marcel Duprés von „Wir danken dir Gott“ aus der Bach-Kantate 29: Gefesselt folgt man hier den rasanten Tonstrudeln und wogenden Klangwellen.

Viele Werke bedeuten viele potenzielle Höhepunkte, zu denen die kleine Motette „Herr, sei gnädig“ von Felix Mendelssohn Bartholdy zählt: Mit genauen Fugeneinsätzen stellt der Domkammerchor die Güte dieses romantischen Kleinods vor. Auch Verdis „Pater noster“ mit pikant herausgearbeiteten Modulationen, Rutters jubelnder Osterhymnus „Christ the Lord is risen again“ mit seinen rhythmischen Finessen und zwei Motetten des Briten Charles Villiers Stanford lassen den Chor seine hohe, auf sauberer Intonation und durchhörbarer Sprache gründende Qualität unter Beweis stellen. Und nicht zuletzt mit William Monks „Abide with me“ und „O nata lux“ von Morten Lauridsen werden weitere Begehrlichkeiten geweckt, mit diesem Ensemble in so selten gehörte kompositorische Gefilde gerade aus dem angloamerikanischem Raum einzudringen.

Der SWR sendet einen Konzertmitschnitt am 16. November 2013 ab 21 Uhr in SWR2.

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