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Erst umspült, dann mitgerissen

MAINZ (5. August 2019). Ein Koch braucht sein Equipment und leckere Zutaten, ein Musiker sein Instrument, der Maler Pinsel und Leinwand, der Autor Stift und Papier. Allein der Sänger hat stets alles bei sich, was er benötigt, um seine Kunst zu schaffen. Verbunden mit der menschlichen Ursehnsucht nach Harmonie könnte das mit der Grund dafür sein, dass sich der A-cappella-Gesang derzeit so großer Beliebtheit erfreut – sowohl bei den Singenden als auch beim Publikum.

Im Mainzer Musiksommer weiß man um diesen Trend schon lange und hat eigentlich in jeder Saison einen entsprechenden Hochkaräter im Programm: Im vergangenen Jahr war das New York Polyphony, 2017 das Ensemble amarcord, 2016 kamen Singer Pur, 2014 die Singphoniker, 2013 Nordic Voices – die Liste ließe sich mühelos fortsetzen. In diesem Jahr nun hatte man das finnische Sextett Rajaton eingeladen.

2005 traten die drei Damen und Herren anlässlich des „Vocal Jazz Summit“ in der Mainzer Phönixhalle auf und kehrten gleich ein Jahr später zum Festival „Europa cantat“ zurück, wo man sie im Frankfurter Hof feierte. Nun waren Essi Wuorela und Aili Ikonen (Sopran), Soila Sariola (Alt), Hannu Lepola (Tenor), Ahti Paunu (Bariton) und Jussi Chydenius (Bass) mit einem Programm aus Volksliedern und Folksongs ihrer finnischen Heimat zu Gast in der Seminarkirche und begeisterten das Publikum derart, dass es nach jedem Stück mit frenetischem Beifall reagierte.

Keine Frage: Handwerklich war das, was Rajaton hier ablieferte, allererste Sahne. Einzig die Arrangements – zum größten Teil aus eigener Produktion – ließen zumindest im ersten Teil an Attraktivität zu wünschen übrig: Wenn sich nämlich der Leadgesang in jedem Stück vor die gefühlt gleichen Vokalisen und Modulationen schiebt, dann klingt das anfangs zwar faszinierend schön, doch rasch wird aus dem aufmerksamen, aktiven ein nur noch von (natürlich angenehmen) Klängen umspülter, passiver Zuhörer.

Im Zweiten Teil folgte dann die Wende, denn Rajaton hatte sich nicht nur neu in Schale geworfen, sondern gefiel auch im Harmonischen wie im Rhythmischen mit deutlich mehr Wagnis. Der Gesang der sympathischen Finnen entsprach jetzt perfekt ihrer gewinnenden Ausstrahlung, so dass das Ensemble klanglich spürbar mehr Kontur bekam.

Da wechselte Sopranistin Aili Ikonen mit dem Backgroundchor, der plötzlich tragendes Ensemble war und sich zugunsten der Solistin immer wieder zurückzog – solche klanglichen Kulissenwechsel waren es, die der Performance Charakter verliehen, so dass man sich der sanglichen Perfektion von Rajaton dann doch noch voll und ganz hingeben mochte. Ein Konzertmitschnitt ist am 6. November ab 21 Uhr bei SWR2 zu hören.

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