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Zehn Jahre Mainzer Orgelkomplet

MAINZ (28. März 2023). Seit zehn Jahren gibt es in der Kirche St. Bonifaz unweit des Hauptbahnhofs die Mainzer Orgelkomplet: eine vom Orgelverein Mainz-Neustadt e. V. und dem Dominikanerkonvent verantwortete Konzertreihe, die mittlerweile auf 65 Konzerte zurückblicken kann. Die Komplet ist das Nachtgebet im Stundengebet der Christenheit. In St. Bonifaz stellt die Reihe zum einen junge Musikerinnen und Musiker (unter 30) am Anfang ihrer Organistenkarriere vor und gibt andererseits auch immer einen geistigen Impuls. Von der Nähe zur Hochschule für Musik profitieren St. Bonifaz und die Studierenden gleichermaßen. Vor allem aber das Publikum kommt in den Genuss erstklassiger Darbietungen – wie jetzt zu Beginn der neuen Saison, die mit Lukas Adams der Hauptorganist von St. Bonifaz an der 2019 neu errichteten Oberlinger-Späth-Orgel eröffnete.

Im Mittelpunkt des Programms „Regers Vorbild – reges Vorbild“ stand der Komponist, dessen 150. Geburtstags die Musikwelt am 19. März gedachte. Er machte mit der Introduktion und Passacaglia in d-Moll den Anfang, wobei sich Reger beim Thema deutlich auf Johann Sebastian Bachs c-Moll-Passacaglia bezog, die Adams am Ende des ersten Teils spielte. Dazwischen erklang mit „Rossignols Enrhumés“ aus „Rrrrrr…: 8 Orgelstücke“ aus den Jahren 1980 und 1981 moderne Musik des 2008 verstorbenen Komponisten Mauricio Kagel. In allen drei Stücken präsentierte der junge Organist die Klangpracht und -möglichkeiten seines Instruments – mal klassisch wie bei Bach und Reger oder eben gänzlich überraschend wie bei Kagel, wo ein hyperaktives Kontrafagott sich mit einer vergleichsweise phlegmatischen Subbassflöte zu unterhalten scheint. Vor allem in die Passacaglien fühlte sich Adams intensiv ein und genoss hörbar das Ausgestalten der einzelnen Variationen.

Im geistigen Impuls verglich der Mainzer Dompfarrer Thomas Winter anschaulich die Konstruktion der Orgel mit dem lebendigen Leib einer christlichen Gemeinde: Kein Teil oder Organ sei hier verzichtbar, sei es auch noch so klein. Im Hinblick auf die mächtigen Prospektpfeifen der Oberlinger-Späth-Orgel verwies der Geistliche zudem darauf, dass nicht immer die größten oder am hellsten strahlenden Organe die wichtigsten seien – eine sympathische Analogie, auf die Winter kam, als er mit Kindern die 2014 aufwändig restaurierte Orgel in der Mainzer Kirche St. Peter vom dortigen Organisten Andreas Leuck gezeigt bekam.

Max Regers „Melodia“ aus den Neun Stücken für die Orgel op. 129 eröffnete den zweiten Konzertteil, wobei Lukas Adams das modulationsreiche Stück geschmackvoll mit dem Schwellwerk gestaltete. Reger stand sozusagen auch am Schluss, als der Organist mit Improvisationen über das Thema „Macht weit die Pforten der Welt“ eine Choralfantasie im Stil des spätromantischen Komponisten spielte. Hier beeindruckte vor allem die kunstvolle Fuge – wie auch im zuvor gespielten, wohl berühmtesten und bis heute meist interpretierten Orgelwerk Franz Liszts: Präludium und Fuge über das Thema B-A-C-H. Das chromatische Viertonmotiv beherrscht die Fraktur der Musik und Adams führte das Publikum zielsicher durch die klangreichen figurativen Prozesse und motivischen Durchführungen, die das komplette Werk durchziehen.

Lukas Adams ist zweifelsohne ein Meister seines Fachs: Mit 29 Jahren gerade noch im Visier der Orgelkomplet, lehrt der Künstler seit mehreren Jahren am Institut für Kirchenmusik Mainz. Seit 2017 ist er Hauptorganist an St. Bonifaz, wo er 2019 vei den Mainzer Orgelkomplet reüssierte. Im Jubiläumsjahr werden hier auch Julia Raasch (2. Mai), Marius Herb (6. Juni), Carolin Kaiser (4. Juli), Giacomo Gabusi (1. August), Lukas Euler (5. September), Niklas Jahn (3. Oktober) und Stefano Perrota (7. November) zu hören sein. Die dienstäglichen Konzerte finden bei freiem Eintritt statt und beginnen jeweils um 19 Uhr.

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