Mit dem Müller unterwegs
BAD EMS (7. August 2010). „Das Wandern ist des Müllers Lust!“, beginnt Tenor Markus Schäfer im Marmorsaal des Kurgebäudes im Staatsbad an der Lahn: Auf dem Programm steht Schuberts „Schöne Müllerin“. Und es ist tatsächlich eine Reise in der Zeit, auf die er das Publikum von RheinVokal mitnimmt – was auch am besonderen Instrument liegt, auf dem ihn Pianist Tobias Koch begleitet.
Es ist: ein Hammerflügel. Nicht nur äußerlich hat das nussbraune Tonwerkzeug eine andere Farbe. Seine Hämmer sind nicht mit Filz, sondern mit Leder bezogen. Auch nehmen die Dämpfer den Ton nicht sofort weg, sondern lassen die Saite noch nachschwingen. Der Klang ist dadurch weicher, runder, zurückhaltender. Das „Wiener Flügel“ genannte Instrument spiegelt in Optik und Akustik also die Ästhetik der Klassik wider. Seine Schlichtheit, Transparenz im Klang und sein singender Ton empfehlen ihn als charmante Begleitung eines Liedsängers vom Format Markus Schäfers.
Schlank und doch voller Leidenschaft bewegt sich der Tenor durch die Verse Müllers. Kleine und feinen Arabesken gleiche Verzierungen seines Liedbegleiters haben den ansprechenden Effekt einer Kolorierung der Gedichte und man hört, dass dieses Spiel für beide Künstler etwas Besonderes ist: Der munter rauschende Bach ist ein immer wiederkehrendes Motiv, das Koch mit murmelndem Fluss inszeniert. Zart singen die Nixen, brausend klappern die Mühlräder und ganz von fern erklingt ein hallendes Echo im „Morgengruß“.
Markus Schäfer gefällt mit zartem Timbre, das durch wohl bemessene Agogik und genaue Sprache flankiert und verstärkt wird. Die Wiedergabe der naturidyllischen Verse Müllers, aus dessen Feder auch die „Winterreise“ stammt, schwebt dabei im Spannungsfeld aus distanzierter Berichterstattung und engagiert erzähltem Affekt. Durch diesen Stil verleiht Schäfer seinem Liedvortrag romantische Tiefe fern jeden Kitsches. Die von Müller in seine Strophen gelegte Panharmonie ist in Wort und Ton spürbar – vor allem in den rasanten Sätzen in „Jäger“ oder „Eifersucht und Stolz“ werden die „klaffenden Hunde“ und der „leichte lose Flattersinn“ der Müllerin zum Erlebnis.
In einem Brief vom 7. Juni 1826 schrieb der Dichter Heinrich Heine an den Kollegen zu seinen Versen: „Es drängt mich, Ihnen zu sagen, dass ich keinen Liederdichter außer Goethe so sehr liebe wie Sie. Nur Sie, Wilhelm Müller, bleiben mir also rein genießbar übrig, mit Ihrer ewigen Frische und jugendlichen Ursprünglichkeit.“ Im übertragenen Sinne kann man das auch über den Liedvortrag Schäfers und Kochs sagen – vielleicht nicht was die Ausschließlichkeit, aber sicherlich, was den bleibenden Eindruck betrifft.