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Spannende Impressionen

MAINZ (19. November 2010). Die Krux mit der Klassik: Will man Publikum, sollte man das Bekannte spielen; musiziert man hingegen das Außergewöhnliche, riskiert man vor lichten Reihen zu spielen.

Ähnlich erging es auch dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz mit seinem Programm zum nahenden Totensonntag: Trauer und Klage waren der gemeinsame Topos der Werke von Bohuslav Martínu (1890-1959) und Josef Suk (1874-1935), die man von einem Stück aus dem Schaffen Karol Szymanowskis (1882-1937) flankieren ließ.

Denn selbst, wenn dem Fachmann die Namen der gespielten Komponisten etwas sagten – für den Laien dürften die Herren Martínu, Szymanowski und Suk wohl eher aus dem Schatten der Vergessenheit getreten sein. Unter dem Dirigat von Andreas Hotz und gemeinsam mit Pianist Henri Sigfridsson gelang den Instrumentalisten allerdings eine ergreifende Soiree voller neuer musikalischer Eindrücke.

Laut Hotz handelt es sich bei diesen Tonsetzern um die „am meisten zu Unrecht kaum aufgeführten Komponisten“, weswegen die Mainzer auch besonders auf die Premiere der Oper „König Roger“ aus der Feder von Szymanowski am 15. Januar 2011 gespannt sein dürfen: Nach dem musikalischen Vorboten, der Sinfonie Nr. 4, op. 60, verspricht diese Produktion spannende Impressionen.

Doch zuvor eben Opus 60: Unruhig ist dieses Sinfonische Konzert für Klavier und Orchester mit seinen aufgewühlten Solokadenzen voll introvertierter Verzögerung, auf die das Tutti einstürzt. Wie die Bilder eines Kaleidoskops fügen sich die drei Sätze ineinander und in die Dissonanz tropft das Piano seinen Optimismus: Dirigent Andreas Hotz verstand es hier meisterhaft, Solist und Klangkörper zu einem überzeugenden Gesamt zu schmieden.

Den Beginn des Konzertes machte die Trauermusik für Orchester von Bohuslav Martínu, die mit ihrem Titel „Lidice“ an die Auslöschung der gleichnamigen tschechischen Gemeinde durch die Nationalsozialisten erinnert. Hier vermochten die Mainzer Musiker ihrem Publikum die tief empfundene Seelennot des protestierenden Emigranten nahezubringen.

Auch das Finale widmete sich der Schwermut, musste Josef Suk mit seiner Sinfonie Nr. 2 c-moll, op. 27 („Asrael“) doch gleich zwei Schicksalsschläge bewältigen: Als Schwiegersohn Antonin Dvořáks beklagte er in den ersten drei Sätzen dessen Tod und hatte nach deren Fertigstellung mit dem Ableben seiner Frau Ottilie die nächste Heimsuchung zu beklagen; ihr widmete er zwei weitere Sätze.

Dramatik und fast schon lyrische Intimität wurden hier intoniert, wobei das Orchester nur zu Beginn leicht auseinanderdriftete. Die herbe Tonsprache Suks bot im Verlauf jedoch mannigfaltig Möglichkeit zu glänzen, was mit fulminantem Bläserklang und punktgenauen Pizzicati umgesetzt wurde. Am Schluss verstummt die Trauer und der versöhnliche Choral verklingt in der Ferne: Suks Opus ist letztendlich trotz allem lebensbejahend. Und das – war auch hörbar.

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