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„Der Klang der Blockflöte ist ein Mysterium“

MAINZ (7. August 2019). Im diesjährigen Mainzer Musiksommer tritt mit dem Schweizer Maurice Steger einer der weltbesten Barockflötisten auf. schreibwolff.de sprach mit ihm über die Faszination, die für ihn von diesem Instrument ausgeht.

Herr Steger, warum ist die Blockflöte Ihr Instrument?

Der Klang der Blockflöte ist ein Mysterium, das mich seit meiner Jugend fasziniert. Anders als bei anderen Blasinstrumenten entsteht der Klang sehr direkt, ohne komplizierte Vorrichtungen am Instrument. So, wie man in die Blockflöte reinbläst, so kommt der Klang eben auch raus. Und darin liegt die Herausforderung: Einen schönen Blockflötenton zu formen ist unglaublich schwierig und vielschichtig. Der Klang hat etwas Naives, Ehrliches und Direktes. Damit zu spielen, ihn zu formen und zu verändern ist eine tolle Sache.

Ein TV-Portrait über Sie war mit „Die Rückkehr der Blockflöte“ angekündigt. Wo war sie denn in der Zwischenzeit?

Tatsächlich ist dieser Titel etwas irreführend. Die Blockflöte war ein angesehenes Kunstinstrument im 16. bis Mitte des 18. Jahrhunderts und ist dann aus dem Konzertleben verschwunden, weil der Klang der neu aufkommenden Mode der Klassik mit leichtfüßigen Melodien und dynamischen Veränderungen nicht mehr dem ursprünglichen Blockflötenklang entsprochen hat. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Instrument wieder entdeckt: Man hat alte Instrumente gefunden, das Repertoire dazu wird auch ständig erforscht. Und man hat die Blockflöte auch pädagogisch eingesetzt. Darüber hinaus ist sehr viel neue Musik für unser Instrument entstanden. Große Virtuosen und Pioniere haben die Blockflöte im 20. Jahrhundert wieder ins kulturelle Leben zurückgeholt. Dieser Tradition schließe ich mich an.

Also ist die Blockflöte tatsächlich zurückgekehrt?

Mittlerweile hat sie einen schönen Status: als historisches Instrument im Zusammenklang mit Alte-Musik-Gruppierungen auf Originalinstrumenten, aber auch im modernen Musikleben. Meine Position dabei ist nicht so sehr eine prominente, mehr eine verbindende: Als eine der wenigen Blockflötisten spiele ich sowohl mit modernen Sinfonieorchestern als auch Renaissance- oder Barockkonzerte mit kleinen Spezialisten-Ensembles. Wahrscheinlich könnte man dies als die „Rückkehr der Blockflöte“ beschreiben. Mittlerweile ist sie ein Konzertinstrument wie jedes andere, das eben nicht mehr so sehr in der Ecke der Spezialisten anzusiedeln ist. Ich bin sehr glücklich darüber und wir werden sehen, dass in den nächsten Generationen diese Vielschichtigkeit fortgesetzt und ausgebaut wird.

Um diese Musiker kümmern Sie sich ja auch als Lehrer. Was lernt man bei Ihnen?

Mein Ziel beim Unterrichten ist es, das technische Handwerk mit einer intelligenten Musikalität zu verbinden. Wir wollen zeigen, wie man musiziert und was geschieht, wenn man auf der Bühne berührende Geschichten erzählt, wie man miteinander kommuniziert, eine wunderschöne Linie blasen kann und das eigene Instrument so zum Schwingen bringt, dass die Blockflöte wunderschönen Klangfarben entwickelt und sich solistisch neben anderen Instrumenten gut behaupten und einbinden kann.

In Mainz treten Sie mit vier Ihrer ehemaligen Schüler auf. Was ist das für ein Gefühl?

Auf diese talentierten Musiker bin ich sehr stolz und glücklich, mit ihnen dieses Projekt zu spielen. Sie sind alle erstklassige Solisten auf der Blockflöte, aber eben auch vielschichtige Musiker, die noch ein anderes Instrument spielen oder sich daneben pädagogisch betätigen. Aus diesem Grunde tauschen wir auch die Instrumente, um möglichst viele Klangfarben zu kreieren und die Unterschiedlichkeit der einzelnen Werke möglichst farbig darstellen zu können.

Ihre Flöten werden extra für Sie gefertigt. Warum?

Bei der Herstellung einer Blockflöte ist der handwerkliche Anteil der Arbeit relativ hoch und bei uns Spezialisten und professionellen Blockflötisten ist es eigentlich normal, dass wir unsere eigenen Instrumente bauen lassen. Das sind nicht etwa eigene Kreationen von mir, sondern Kopien von historischen Instrumenten. Ich bin ein großer Freund und Fan von historischen Instrumenten und mir gefällt der warme, zärtliche und bauchige Klang einer Barockblockflöte oder der direkte, grundtönig klare Ton einer Renaissanceblockflöte. Natürlich habe ich auch meine persönlichen Vorlieben, wenn es um klangliche Eigenschaften geht: Ich liebe Blockflöten, die warm klingen, in der Tiefe sonor sind und in der Höhe singen können.

Warum sollte ein Kind ein Instrument lernen?

Ein Instrument zu spielen fördert die Konzentration, die Inspiration und die Intelligenz. Und es ist eine wunderbare Tätigkeit, die auf verschiedenen Ebenen das Lernen und Fortschreiten im Leben fördert. Es ist doch ein wunderbares Privileg, dass unsere Kinder ein Instrument erlernen dürfen und die Möglichkeit dafür bekommen. Ich finde, dass wir sie mit verschiedenen Instrumenten in Berührung bringen sollten. Sie werden sich für eine Instrumentenart entscheiden, weil sie spüren, dass sie zu ihnen passen könnte. Und natürlich freue ich mich, wenn viele Kinder begeistert Blockflöte spielen.

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