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Mein Freund James

FRANKFURT (28. März 2015). Wenn die Nachrichtenlage immer wieder und nur zu oft böse Überraschungen parat hat, sucht man instinktiv nach etwas Beständigem. Finden kann man das in der Musik, wenn sich Künstler treu bleiben und ihre Stücke oder Lieder etwas Vertrautes schenken. Ein solcher ist James Taylor, der nach Jahren wieder in der Jahrhunderthalle Höchst auftrat.

Applaus brandet auf, man sieht sich endlich wieder. Wobei: Aus den Ohren hatte man sich natürlich nie verloren. Taylor betritt die Bühne und verneigt sich, ehrlich berührt von der warmen Begrüßung: „Was denn, für mich?“, scheint er zu fragen. Als Zugabe wird der „How sweet it is to be loved by you“ singen. Das geht einem durch und durch.

Taylor wurde im März 67 Jahre alt, ein grauer Dreitagebart ziert sein Kinn, der Anzug sitzt, die legere Ballonmütze ebenfalls – man wähnt sich in der intimen Atmosphäre eines kleinen Pubs, vielleicht in Taylors Heimatstadt Boston, wo man den Sänger zufällig trifft und seinen Liedern lauscht. Dass man in der ausverkauften Jahrhunderthalle nicht alleine an dieser imaginären Bar steht, stört nicht – man ist ja unter Freunden.

Taylor hat nach eigenen Angaben „die beste Band der Welt“ im Schlepptau. Da mag man ihm nicht widersprechen: Bassist und Bandleader Jimmy Johnson, Gitarrist Michael Landau, Drummer Steve Gadd und Larry Goldings an Piano und Keyboard geben Taylor eine fantastisch ausgewogene Rückendeckung. Und der fühlt sich stets als primus inter pares – klar, die Leute sind seinetwegen hier und wenn er alleine zum eigenen Gitarrensolo singt, sind das schon grandiose Momente. Ein Ganzes wird aber erst im Team draus.

Und das komplettieren die Stimmen von Kate Markowitz, Blues-Sänger Arnold McCuller und Andrea Zonn, die auch zur Geige greift – diese Combo als Background-Chor zu bezeichnen, wäre vermessen: Sie sind ein eigenständiges Instrument, das Taylors gesungene Geschichten in leuchtenden Farben koloriert.

Ein aktuelles Album ist in der Mache, man hört mit „Stretch of the Highway“, „Hour that the morning comes“ und „You & I“, das von Liebe erzählt, die den Tod überdauert, geschmackvolle Kostproben – nach „One Man Band“ 2007 und zwei Cover-Alben darf man sich also wieder auf neue Lieder freuen. Und das tut das Publikum in der Jahrhunderthalle natürlich auch, als die Hits erklingen: „Steamroller“, „Handy Man“, „Country Road“, „Carolina“ oder „Sweet Baby James“. Nicht erst, als er ironisch ein paar steifbeinige Tanzschritte macht, sieht man, dass Taylor kein junger Hüpfer mehr ist – seine Stimme aber scheint alterslos: Klar, kraftvoll, leuchtend – unverwechselbar frisch.

Das Publikum liebt ihn – und er erwidert dieses Gefühl auf sympathischste Art: Die Pause, meint er lakonisch, mache er wegen der Bandkollegen, ihm selbst wäre sie immer zu lang. Und so gönnt sich der Sänger keine und verbringt die Minuten lieber am Bühnenrand, wo er Fotos knipsen lässt und Karten, T-Shirts, Plattenhüllen und sogar eine Gitarre signiert. „You’ve got a friend“ ist für Taylor eben kein Lippenbekenntnis.

Ach, übrigens…
Eines stört gerade an einem so schönen Abend kolossal: die vielen Hobby-Fotografen und Möchtegern-Kameraleute! Abgesehen davon, dass das Fotografierverbot vor allem für das Publikum gilt – die Kollegen werden gesondert an einen Platz bestimmten Platz in der Halle gebracht, haben strenge Auflagen in puncto Blitz und müssen nach dem dritten Lied wieder gehen –, nervt es unglaublich, wenn man andauernd die hell leuchtenden Displays von irgendwelchen Smartphones ins Blickfeld gehalten bekommt.

Und was wird aufgenommen? Je weiter hinten die Knipser sitzen, desto weniger James Taylor ist auf dem Bild – dafür aber umso mehr Menschen, die Menschen fotografieren, die Menschen fotografieren, die Menschen fotografieren. Was für eine individuelle Erinnerung an diesen Konzertabend…

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