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Glanzlichter im Schloss

MAINZ (21. November 2021). Ausverkauft ist zwar was anderes, doch die Reihen im Kurfürstlichen Schloss sind gut besetzt und ein Hauch von Normalität herrscht nach Monaten des kulturellen Lockdowns. Die Nachfrage nach dem 2G-Nachweis am Einlass lässt man sich gerne gefallen und trinkt vorab vielleicht ein Gläschen auf das Wohl der Veranstalter der Mainzer Meisterkonzerte, die glücklicherweise bislang einen langen Atem bewiesen haben.

Der Konzertbeginn ist allerdings kein guter, wobei man gleich einräumen möchte, dass es dann auch schon ein Ende hat mit der Kritik: Michael Francis dirigiert die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und hat als erstes Stück das Adagio für Blasinstrumente von Joaquín Rodrigo aufs Programm gesetzt. Doch er nimmt keinerlei Rücksicht auf den Raum und so gerät die Musik schlicht zu laut, bei den Flöten sogar manchmal schrill, so dass Zuhören keine allzu große Freude ist.

Doch nach gut zehn Minuten ist Schluss und man freut sich auf den Solisten des Abends: den Akkordeonisten Martynas Levickis. Und das aus gutem Grund: Der gebürtige Litauer ist ein Meister auf seinem Instrument, auf dem er mit der Staatsphilharmonie das Werk „Aconcagua“ von Astor Piazzolla musiziert. Und wie wunderbar er das tut! Seine Finger huschen über die Tastatur des als „Jammerbalg“ verschrienen Instruments, das sich doch immer öfter auch mit spannenden Bearbeitungen klassischer Musik einen bequem gangbaren Weg in die Konzertprogramme und CD-Repertoires bahnt.

Martynas Levickis ist daran beteiligt, hat er sich doch nach eigener Aussage auf die Fahne geschrieben, das Image des Akkordeons neu zu definieren und seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten aufzuzeigen. An diesem Abend gelingt ihm dies beispielhaft: Er behauptet sich kühn gegen das Tutti, das jetzt aber mit feinfühliger Dynamik spielt. Levickis setzt zackig Akzente und scheint im Moderato des zweiten Satzes ätherisch über dem kammermusikalischen Spiel von Harfe, Klavier, Geige und Cello zu schweben. Im vorangegangenen Allegro und im folgenden Finale wird dem Tango gehuldigt und man verliebt sich sofort in das innige und doch expressive Spiel dieses Künstlers. In der Pause sichtet man einen Programmverantwortlichen des Rheingau Musik Festivals und erfährt, dass man dort einiges mit Martynas Levickis plane – wenn er dort auftritt, sollte man sich dies auf keinen Fall entgehen lassen!

Dann gibt es „Carmen“ – aber nicht von Georges Bizet, sondern von Rodion Shchedrin. Der noch lebende russische Komponist arrangierte in den 1960er-Jahren die Oper als Ballettmusik und schuf dabei eine 13-teilige Suite, die vor Einfallsreichtum nur so strotzt. Vor allem die herrlich verschwenderische Besetzung allein schon der fünfköpfigen Percussion-Gruppe ist grandios. Man hört unter anderem [sic!] Marimba, Vibra- und Xylophon, Kastagnetten, Kuhglocken, Bongos, Glockenspiel, Schlagzeug, Triangel, Schlagholz, Gong und Tamburin. Überzeugte die Staatsphilharmonie bereits bei Piazzolla, tut sie dies mit Shchedrin noch mehr, da man eine unbändige Spielfreude spürt und dadurch sowie die originelle Musik selbst einen Riesenspaß hat.

Da es sich um eine Bearbeitung hat, erklingen manche Melodien abgewandelt oder versteckt: Aber die Habanera erkennt man natürlich sofort. Und auch die berühmte Melodie von „Toreadors“ (die manchem vielleicht noch als Filmmusik der 1980er-TV-Serie „Die Bären sind los“ in den Ohren klingelt) ist zu hören – hier partiell von den Streichern nur markiert, doch im Geiste hört man das ganze Orchester. Zwei Glanzlichter also an einem Abend. Es bleibt zu hoffen, dass die auf der Bühne nicht bald wieder erlöschen müssen.

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