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Berührendes Spiel

MAINZ (12. März 2023). Größer könnte das Kontrastprogramm nicht sein, für das die Rheingoldhalle jüngst parallel ihre Bühnen bot: Im Gutenbergsaal ließen die bauchmuskulösen Adonisse der Show „Sixx Paxx“ aus Berlin so manche Hülle fallen und brachten das (vermutlich größtenteils) weibliche Publikum in Wallung. Die abgespielte Wummermusik war hier jedoch nur akustische Staffage, während im großen Saal zum vorletzten Mainzer Meisterkonzert der Saison die Klassik den Ton angab. „Erkennen Sie die Melodie?“ lautete die Überschrift und spielte auf die gleichnamige Unterhaltungssendung an, die mit Pausen zwischen 1969 und 1985 vom ZDF ausgestrahlt wurde.

Es wäre tatsächlich interessant gewesen, ob es im nahezu ausverkauften Saal wohl eine Person gab, die das erste Stück noch nie gehört hatte: die „Moldau“ von Bedrich Smetana. Sie gehört wohl zu den bekanntesten „Klassikern“, was an die Interpreten die spannende Herausforderung stellt, die Musik immer neu zu entdecken. Diese Aufgabe meisterte die Deutsche Staatsphilharmonie unter ihrem Gastdirigenten Christoph Gedschold allerdings mit Bravour.

Mit fließenden Bewegungen ließ der das Bächlein zuerst plätschern, dann immer mehr anschwellen: Die von Smetana eingestreuten Wirbel und Klippen bekamen hier fast schon etwas Plastisches und das Publikum wurde Zeuge, wie die Spielfreude der Musizierenden geradezu in die Stuhlreihen schwappte, so agil spielte man auf der „Ländlichen Hochzeit“ mit Dynamik und Rhythmus. Im Satz „Mondschein“ hingegen legten sich die Geigen im hauchzarten Pianissimo auf die Gedanken des Lauschenden, sachte unterminiert von den Bläsern. Dass die Staatsphilharmonie auch das dramatische Register zu ziehen versteht, konnte man dann bei den vertonten „St.-Johann-Stromschnellen“ erleben, die Smetana überhaupt erst zu diesem Werk inspiriert hatten.

Spielte das Orchester bereits auf höchstem Niveau (was sich auch in der finalen neunten Sinfonie von Antonin Dvořák nahtlos fortsetzte), wurde es im Solistenstück des Abends nochmals angehoben: Mit dem Klarinettisten Sebastian Manz war ein Künstler zu hören, der seinem Instrument derart berührende Töne zu entlocken vermag, dass im A-Dur-Klarinettenkonzert KV 622 von Wolfgang Amadeus Mozart die Zeit still zu stehen schien.

Obwohl der sympathische Musiker alles andere tut, als sich zu profilieren, stellte er das Orchester allein schon durch sein anmutiges Spiel gleichsam in den Schatten. Das nahm seine Begleitrolle dennoch ernst und gemeinsam machte man das Konzert zum magischen Moment. Im Allegro des ersten Satzes tupfte Manz die Töne wie mit feinem Pinsel: in der Tiefe keck, in der Mittellage kantabel und in der Höhe luftig-leicht. Sein Ton erinnert fast an Rezitative und Arien einer Bachschen Passion, denn der Künstler spielt nicht, er erzählt. Und wenn er spielt, dann klingt dies so wunderbar schwerelos und seidig wie im Adagio, wo Manz mit kristallenem Ton vor gläsern diminuiertem Orchesters glänzte.

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