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Fesselnder Ensembleklang

BUDENHEIM (31. Juli 2015). Der Abend in Schloss Waldthausen ist Franz Schubert gewidmet – und Franz Liszt, der sich zu seinen Werken auch von Schubert inspirieren ließ. Bevor jedoch das berühmte „Forellenquintett“ in A-Dur (D 667) erklingt, fesselt der Pianist Bernd Glemser mit Schuberts Klavierwerken. Und das tut er unmittelbar: Noch sind nur wenige Takte des es-moll-Stücks aus D 946 erklungen, da hat man schon vergessen, dass man sich erst am Anfang befindet. Glemsers Spiel ist direkt und packend, pirscht sich nicht an, sondern springt gleich in medias res.

Leichte, jede für sich kaum wahrnehmbare agogische Verschiebungen geben dem Stück rasch Kontur. Auf einen Akkord in kernigem Forte folgt ein samtiges Piano, doch Glemser setzt nicht nur auf effektvolle Gegensätze, sondern pflegt auch den fließenden Übergang zwischen den dynamischen Aggregatszuständen.

Schuberts „Wandererfantasie“ in C-Dur (D 670) nimmt der Pianist wörtlich und durchschreitet mit seinem Publikum die einzelnen Sätze, um im Adagio mit einer zuckersüßen Melancholie zu verharren, sich im Presto wohlig umwirbeln zu lassen oder um im finalen Allegro mit sinfonischem Gestus dem hochdramatischen Impetus der Fantasie nachzuspüren. Den Anfang gestaltet Glemser dabei wie im Klavierstück: Sofort ist man elektrisiert von dieser kraftstrotzenden Akkordsprache.

In den Schubertschen Liederparaphrasen von Franz Liszt (1811-1886) taucht der Künstler gänzlich in das eigentlich Geschilderte ein: „Der Müller und der Bach“ atmet eine wunderbare Ruhe und im „Ständchen“ erklingt die Liedmelodie einem berührenden Cantus firmus gleich. Das Valse-Caprice Nr. 6 A-Dur aus der „Soirée de Vienne“ gelingt schwebend und tänzerisch.

Für den zweiten Teil tritt Bernd Glemser zurück, nicht nur räumlich, hinter die Streicher der Villa Musica: Marc Bouchkov (Violine), Alba González i Beccera (Viola), Philip Graham (Violoncello) und Alexander Edelmann (Kontrabass), sämtlich Stipendiaten der Landesstiftung. Ein Schattenspiel, das die Scheinwerfer wie zufällig an die Wand hinter den Interpreten werfen, bildet ihr Spiel trefflich ab: Da sieht man zwei Köpfe, die mal wie miteinander verwachsen scheinen, um sich gleich darauf zu trennen. Genauso ist das Spiel des Quintettes auf Zeit: aus einem Guss.

In kurzer Zeit hat sich hier ein fesselnder Ensembleklang entwickelt, der vor allem im wohl bekanntesten Satz des Forellenquintetts am besten zum Ausdruck kommt. Hier, im Thema con variazioni, hört man perfekt koloriertes Musizieren: federleicht die Geige, grundierend der Kontrabass, angenehm kantabel Bratsche und Cello, das Klavier melodiös. Ein Blick in die Gesichter der jungen Künstler zeigt, was ohnehin zu hören ist: dass ihnen das Spiel Freude bereitet. Und die überträgt sich direkt auf das Publikum des Mainzer Musiksommers, das einmal mehr begeistert applaudiert.

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