Weniger ist (mal wieder) mehr
MAINZ (07. August 2020). Müssten für das Helsinki Baroque Orchestra nicht mehr als fünf Stühle auf der Bühne des Kurfürstlichen Schlosses stehen? Corona beeinträchtigt eben alles – auch Besetzungen, so dass im Mainzer Musiksommer „nur“ eine Auswahl des finnischen Klangkörpers gastiert: die Helsinki Baroque Soloists. Die aber präsentieren ihrem Publikum die gespielten Werke in derart selten zu hörender Transparenz, dass der Abend zum maximalen Hörerlebnis wird.
Geleitet wird das Ensemble seit 2003 von Aapo Häkkinen, der auch die Solopartien in Bachs Cembalokonzerten in D-Dur sowie d-Moll (BWV 1052) spielt. Er begann sein Studium mit gerade mal 13 Jahren und lernte bei Meistern wie Bob van Asperen und Gustav Leonhardt. Sein inspiriertes Spiel überträgt sich nahtlos auf das seiner Kollegen Aira Maria Lehtipuu und Antonio De Sarlo (Violine), Tuula Riisalo (Viola) und Heidi Peltoniemi (Cello).
Das Musizieren in kleinster Besetzung beschert also eine faszinierende Durchhörbarkeit, was einem die Möglichkeit gibt, einzelne Stimmen zu verfolgen, viel tiefer in Bachs Klangkosmos einzutauchen und so die Struktur seiner Komposition zu erfassen. Dadurch kann man gerade bekannte Werke wie die gespielten Cembalokonzerte auf ganz neue Weise hören und entdecken: Die zerfließende Breite, in der die Künstler das Adagio des D-Dur-Konzerts angehen, erinnert an den entsprechenden Satz im „Sommer“ aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Da spiegelt sich die flirrende Hitze des Tages und das Cello zitiert das Thema mit anrührender Zartheit, bevor das folgende Allegro eher an einen spritzigen Riesling auf abendlich kühler Terrasse erinnert. Im d-Moll-Konzert hingegen geht es hoch her und die Helsinki Baroque Soloists lassen das Allegro pulsen, dass man in den bassbezogenen Akkorden geradezu massige Techno-Beats heraushören kann.
Bach rahmt an diesem Abend zwei Suiten von Andreas Kirchhoff (~1635-1691) und Johann Adam Reincken (1643-1722) ein. Auch hier beeindruckt die unbedingte Transparenz und bei Reincken das Solospiel von Violine und Violoncello: Vor allem Heidi Peltoniemi entlockt ihrem Instrument einen unerhört cremigen Ton, Aapo Häkkinens Cembalospiel erinnert an Harfen- und Lautenspiel – ein Abend voller faszinierender Entdeckungen.