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Endlich wieder ein Livekonzert!

MAINZ (30. August 2020). Dieses Gefühl, endlich wieder live ein klassisches Konzert hören zu dürfen! Es überwiegt das seltsame Empfinden, das die Bestuhlung im großen Saal des Kurfürstlichen Schlosses hervorruft, bei Weitem. Die Veranstalter des Mainzer Musiksommers platzieren ihre Gäste mit drei Stühlen Abstand, alles ist mit Klebeband abgesperrt; und auch die Maskenpflicht beim Überreichen der obligatorischen Weinpräsente am Schluss wirkt leicht bizarr. Dabei ist der Abend mit dem Barockensemble Ludus Instrumentalis weit mehr als ein Konzert: Er dokumentiert schlicht einen Schritt in Richtung Normalität, auch wenn der Weg dahin sicherlich noch weit ist.

Ensembleleiter Evgeny Sviridov und Anna Dmitrieva (Barockvioline) sowie Davit Melkonyan (Cello), Elizaveta Solovey (Theorbe) und Stanislav Gres (Cembalo) stellten einem dabei jene Person vor, für die Johann Sebastian Bach 1741 seine berühmten Goldberg-Variationen schrieb: Johann Gottlieb Goldberg. Der komponierte selbst, darunter die Trio-Sonaten in a-Moll und B-Dur, die Ludus Instrumentalis mit schwebend-tänzerischem sowie galantem Duktus interpretierte. Besonders spannend war da ein Wettstreit der beiden Violinen, in den sich das Cello als musikalischer Kombattant einschaltete.

Findet der Musiksommer ansonsten in Mainzer Kirchen statt, waren die Künstler des Abends, die mit ihrem Spiel den Saal mühelos ausfüllten, hier stilistisch doch eher zuhause: quasi am Hofe. Die Musiker modellierten faszinierende Klangminiaturen in der Sonata „Psyche“ von Michele Mascitti. Neben dem hochvirtuosen Spiel Sviridovs begeisterte vor allem die akzentuierte wie pulsierende Akkuratesse des Zusammenspiels. In der Skizze „Du Sommeil“ (zu Deutsch der Schlaf) zauberte das Ensemble ein Pianissimo, das die Zeit stillstehen ließ, um im folgenden Satz, der der zornigen und verzweifelten Liebe gewidmet war, dramatisch aufzublühen: Vorhalte, Reibungen und Auflösungen – all das kosten diese Musiker köstlich aus und verpassen der Alten Musik eine stets leuchtende Lasur.

In der großen Triosonate, die François Couperin seinem Komponistenkollegen Arcangelo Corelli widmete und die dessen Aufstieg auf den Parnass als Heimstatt der Musen beschreibt, inszenierte Ludus Instrumentalis schließlich eine konzertante Oper, deren Bilder man mit elegantem Bogenstrich vor das geistige Auge der dankbaren Zuhörer kolorierte. Festlich wie bereits in der eröffnenden Ouverture aus „Scilia et Glaucus“ von Jean-Marie Leclair beendete Ludus Instrumentalis das Konzert mit einem weiteren Satz aus einer Goldberg-Triosonate derart lebendig, dass man fast geneigt war einfach sitzenzubleiben, um auch die Wiederholung des Programms am gleichen Abend zu genießen.

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