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Die Schönheit des Einfachen

MAINZ (25. Juli 2025). Die Einsicht, dass weniger manchmal mehr wäre, ist meist negativ konnotiert. Beim Konzert des irischen Vokalensembles „Systir“ konnte man hingegen anerkennend erleben, wie schön gerade das Einfache sein kann. Statt komplizierter Motettenkunst sangen die sechs Damen ein attraktives Programm aus Folksongs und Liedern ihrer Heimat – das Motto hieß „Echoes of Ireland“.

Bereits der Auftritt von Sara Di Bella, Sara Weeda, Aisling und Lauren McGlynn, Caitríona Sherlock und Lorna Bell in der Seminarkirche passt: In samtiges Grün gewandet ziehen die Damen singend ein und verteilen sich für das erste Lied im Kirchenschiff, so dass ihre Stimmen von überall herkommen. Das Ensemble klingt dabei fast schon instrumental, wenn die hohen Stimmen über dem Bordungesang des Altregisters schweben. Diese Musik bringt vielleicht noch galoppierende Gedanken rasch zum Schweigen, ist Entschleunigung pur.

Die teils geistlichen Lieder und Folksongs sind meist von Michael McGlynn eingerichtet. Der irische Komponist und Gründer der beiden bekannten Ensembles „Anúna“ und „M’anam“ ist auch künstlerischer Leiter von „Systir“, wo auch seine zwei Töchter mitsingen. Dies ist insofern erwähnenswert, weil man merkt, dass die Arrangements just für die sechs Sängerinnen von „Systir“ geschrieben wurden. Die Künstlerinnen präsentieren mit dem Sean-Nós-Gesang zudem den Ausdruck irischer Vokalmusik schlechthin: Worte sind wichtiger als die dennoch rein intonierte Melodie, wodurch die Vokalisen der Sängerinnen einen ganz eigenen Charakter erhalten.

Das Ensemble, das von Andy Boushell behutsam auf Gitarre und Bodhrán begleitet wird, singt in verschiedenen Besetzungen: Soli, Duette und Trios sowie Tutti sorgen dafür, dass das mit mehr als 20 Liedern ohnehin kleinteilige Programm trotz der anfangs gelobten Einfachheit stets seine Spannung beibehält. In der Ballade „Ah Robin“ hört man, wie sich zur einzelnen Stimme eine zweite gesellt und die Intervalle dann von der dritten zum Akkord aufgefüllt werden: Genau diese Schlichtheit war in früheren Tagen der fruchtbare Nährboden für das Entstehen der Polyphonie.

Natürlich erlebt man ein bestens vorbereitetes Ensemble, das zu Recht in einer Reihe mit den anderen A-cappella-Gruppen wie Amarcord, Singer Pur oder New York Polyphony steht, die ebenfalls schon beim Mainzer Musiksommer auftraten. Und trotzdem erfährt man eine besondere Nähe, wenn nur eine der Damen ihre klare Stimme erhebt: Hier steht kein Instrument zwischen Musikerin und Publikum, sondern der Mensch selbst ist das Medium, angreifbar und daher verletzlich: Singen ist eben auch immer ein großer Vertrauensbeweis gegenüber dem Auditorium. Und auch das ist zu spüren, während dieses Konzerts. In Zeiten der Künstlichkeit, die uns umgibt, sind solche Momente unfassbar wertvoll.

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