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Musik als Herzenssache

MAINZ (1. Mai 2016). Die Freude über das eben Gehörte steht Karl Kardinal Lehmann ins Gesicht geschrieben, als er sich bei den Mitwirkenden des jüngsten Domkonzerts bedankt. Im Vorgriff des 80. Geburtstags des Bischofs am 16. Mai sangen die Chöre am Mainzer Dom ein beeindruckendes Geburtstagskonzert und trafen mit Werken von Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart den Geschmack des Kardinals punktgenau.

Nach solchen musikalischen Erlebnissen schwinge im Hinblick auf sein bevorstehendes Ausscheiden aus dem Amt durchaus auch Wehmut mit, erklärte Lehmann – der sich allerdings darauf freut, dann mehr Zeit für Konzertbesuche im Dom zu haben.

Es sind die Früchte auch seiner Arbeit, wenn die Musica sacra am Mainzer Dom derart prachtvoll blüht wie es derzeit der Fall ist: Unter Lehmanns Ägide seien mit Mathias Breitschaft und Karsten Storck zwei Domkapellmeister sowie mit Albert Schönberger und Daniel Beckmann zwei Domorganisten eingestellt, die Domkantorei sowie der Mädchenchor am Dom und St. Quintin gegründet, die Mainzer Dombläser neu ausgerichtet und die Planung für eine neue Orgel in Angriff genommen worden, umriss Domdekan Heinz Heckwolf das große Interesse des Kardinals an der Kirchenmusik.

Bach und Mozart also zum Geburtstag: Das Konzert im bis auf den letzten Platz besetzten Dom beginnt mit der Choralkantate „Gelobet sei der Herr, mein Gott“ (BWV 129). Hier musizieren die jungen Stimmen von Dom- und Mädchenchor. Und sie tun dies mit einer Inbrunst, die sich ohne Abstrich in der Qualität widerspiegelt. Domkapellmeister Storck beginnt den pulsierenden Eingangschor mit agilem Tempo, sein Chor folgt transparent und mit packender Präsenz. Beschränkt man sich gerade in der Barockmusik aktuell auf kleine Ensembles, setzt Storck mit ausladender Besetzung einen Kontrapunkt, der sich hören lassen kann.

Gleiches gilt für Mozarts Große Messe in c-moll (KV 427): Hier singt die Domkantorei unterstützt von den Männerstimmen des Domchors und spürt der dramatischen Struktur der Musik mit dynamischer Finesse nach. Gemeinsam mit dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz, das auch schon bei Bach überzeugte, musiziert man eine beseelte Messvertonung mit faszinierenden „Gänsehaut-Momenten“, etwa das majestätische „Kyrie“ oder das ergreifende „Qui tollis“, bei dem einen der Klang mit voller Wucht umspült und sich plötzlich ins Pianissimo reduziert.

Neben Britta Stallmeister (Mezzo-Sopran), Gudrun Pelker (Alt), Christoph Prégardien (Tenor) und Karsten Mewes sei aus der Reihe der Solisten stellvertretend die Leistung von Christina Landshamer erwähnt: Ihr „Et incarnatus est“, das sich an die majestätische Chorfuge „Credo in unum“ anschließt, ist von erlesen-delikater Klangschönheit.

Zwischen beiden Chorwerken erklingt die Orgel: Domorganist Daniel Beckmann spielt Mozarts f-moll-Fantasie (KV 608) mit feierlichem Introitus und lässt nach weichem und kantablem Zwischenspiel das Finale erblühen. Mozart schrieb dieses Werk für die „Flötenuhr“ eines Kuriositätenkabinetts. Doch der skurrile Hintergrund passt bestens, wenn man den Hintergrund kennt: Die Musik entstand für eine Trauerfeier. Und selbst wenn die Mainzer Kardinal Lehmann seinen wohlverdienten Ruhestand von Herzen gönnen – ein bisschen traurig sind sie eben doch, dass er bald nicht mehr „ihr Bischof“ ist.

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