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Bienvenue, nouveau clavecin!

MAINZ (19. Oktober 2025). Man konnte sehen und hören, wie glücklich die Verantwortlichen im Bereich Alte Musik der Mainzer Hochschule für Musik (HfM) sind: Zum einen war das Konzert im Roten Saal noch vor dem offiziellen Start ins Wintersemester so gut wie „ausverkauft“ und zum anderen kann das Institut ein neues Mitglied in der eigenen Instrumentenfamilie begrüßen. „Wir Lehrenden sind der Geschäftsleitung und der Leitung sehr dankbar, dass wir dieses Cembalo erwerben konnten“, betonte Prof. Felix Koch. Damit sei man bestens aufgestellt, alle Facetten und Epochen des Continuo- und Cembalospiels abzubilden.

Neben der Musik hörte das Publikum an diesem Nachmittag Interessantes: So hätten nur wenige Originalinstrumente die Französische Revolution überlebt, informierte Markus Stein, der an diesem Abend selbst in die Tasten griff. In Versailles gab es zahlreiche solche Instrumente auch für den Unterricht und jeder Hof sah das Clavecin, wie es auf Französisch heißt, durchaus auch als Statussymbol, bis das wütende Volk sein Holz eher der thermischen Resteverwertung zuführte.

Das Cembalo, das dem neuen Instrument der HfM als Vorbild diente, hat die Revolutionswirren hingegen überlebt: ein Werk der französischen Instrumentenbauerfamilie Blanchet vom Ende des 18. Jahrhunderts, das von der Firma Neupert aus Hallstadt bei Bamberg vermessen und originalgetreu nachgebaut wurde. Die Mainzer erwarben es gebraucht – für neue Rekonstruktionen kann man gut und gerne zwischen 30.000 und 40.000 Euro veranschlagen. Doch auch „second hand“ hat das Cembalo einen wunderbaren Klang, verfügt nicht nur über zwei Manuale, sondern hat auch drei Register, was es besonders farbig spielbar macht.

Zu Beginn gab es sozusagen „was vom Italiener“ mit französischem Akzent: Markus Stein spielte das D-Dur Concerto BWV 927, das sich Johann Sebastian Bach von Kollege Antonio Vivaldi geliehen und als ursprüngliches Violinkonzert in ein Solo für Cembalo verwandelt hatte. Deutlich waren die Soli- und Tuttipassagen zu hören und wer glaubte, im Largo eine zart gezupfte Laute zu entdecken, der hatte sich nicht vertan: Dieses Cembalo verfügt über einen Lautenzug, mit dem durch eine Hebelmechanik eine Filzleiste auf die Saiten gelegt wird, was den Klang dämpft und grundtöniger macht, wodurch er an die gezupften Saiten einer Laute erinnert.

Man hörte das Cembalo solo, als Continuo-Instrument und kammermusikalischen Partner im Duett mit dem von Felix Koch gestrichenen (fünfsaitigen) Barockcello in Bachs g-Moll-Sonate BWV 1029, die dieser ursprünglich für die Gambe komponiert hatte. Was man ebenfalls hörte: Die Klangwelt dieses Instruments ist vielfältig und alle Seiten wie Saiten konnten an diesem Abend bewundert werden. Da ein Cembalo anders als ein moderner Konzertflügel nicht über einen dynamischen Anschlag verfügt, werden Töne und Akkorde wie im wellenbewegten „Les Barricads Mystérieuses“ von Francois Couperin ständig wiederholt oder der Spieler täuscht durch agogische Kniffe Dynamik vor, was Markus Stein auch in „La Felix“ von Jacques Duphly meisterhaft vorführte.

Mit Alessandro Scarlattis Sopran-Kantate „Il Nerone“ präsentierte Prof. Elisabeth Scholl eine blutrünstige Oper en miniature um den feuerverliebten römischen Kaiser: Hier erlebte man, dass auch die Mimik bis hin zur Grimasse zum Gesang dazugehört, wenn die Sängerin davon berichtet, wie der Tyrann Leiber brennen sehen und durch das Blut seiner Opfer waten will. Und tatsächlich: Nicht nur Scholls Koloraturen schossen wie züngelnde Flammen gen Himmel – auch die Kaskaden des Cembalos erinnerten an lodernde Glut.

Mit gleicher Innigkeit besang Prof. Hans Christoph Begemann in Bachs Bass-Kantate „Amore traditore“ den Topos des enttäuschten Liebenden. Auch hier ist das Cembalo mehr als bloßes Begleitinstrument, ja stahl dem Sänger in der zweiten Arie sogar bewusst die Schau. Sowohl bei Scholl als auch bei Begemann hörte man indes, wie freundschaftlich sie mit Koch und Stein verbunden sind: eine Harmonie, die der Musik zugutekommt und ihr eine besondere Herzlichkeit verleiht, was das Quartett mit dem finalen Duett „Che voi pensando“ für Sopran, Bass und Basso Continuo nochmals unterstrich.

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