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Wunderlich herbe Klänge

EBERBACH (5. Oktober 2010). Nach der fulminanten Premiere der Herbsttournee in der Hamburger St. Michaelis-Kirche und Konzerten in Berlin und Heidelberg war Kloster Eberbach jetzt die vierte deutsche Station des norwegischen Saxophonisten Jan Garbarek, der gemeinsam mit dem Hilliard Ensemble das neue Album „Officium Novum“ präsentiert.

Da steht er anfangs allein auf der Bühne und spielt – die weichen Töne des Saxophons perlen ins Kirchenschiff und treffen auf Widerhall: Wie in einer Prozession schicken die vier Hilliards ihre Stimmen aus der Basilika heraus Richtung Bühne, erst homophon, dann im Intervall. Schließlich wandeln die Sänger ihren Tönen nach und besteigen mit ihnen bedächtig das Podium – der Beginn des Konzerts im ausverkauften Gotteshaus ist in der Tat ein kleiner Geniestreich.

In „Officium Novum“ vereinen die Vokalisten armenische Kirchenmusik mit der experimentellen Improvisation Garbareks. In die Sharakans, jene liturgischen Gesänge kaukasischer Provenienz, mischt sich das Saxophon mal schrill, mal introvertiert, schwillt an und ebbt ab.

Die Mixtur hat etwas Herbes, macht neugierig und ist doch auf die Dauer auch etwas anstrengend, denn zwei Eigenheiten stören: Zum einen wiederholt sich das Konstrukt immer wieder und verliert durch diese Redundanz an Faszination; zum anderen sind die Gesänge ihres geistlichen Kontextes entrissen und stehen seltsam fremd und unbekannt im weltlich-konzertanten Raum. Die Form, diese „Officium Novum“ prägende Uniform, verdrängt den Inhalt, für den Arvo Pärts ätherisch intoniertes „Most Holy Mother of God“ dann fast schon plakativ herhalten muss.

Kein Zweifel: Es gibt wundervolle Momente, wenn Garbarek die Dynamik drosselt und als fünfte Stimme sanft in das vokale Quartett tropft oder im Wandeln seine Töne über das Kirchengestühl haucht, um es sanft auf den Ensemblegesang zu tupfen. Doch über weite Passagen dominiert das Blasinstrument: Wo ein Crescendo poco al poco passen würde, wählt Garbarek oft ein jähes Subito forte und zerreißt das zarte Harmoniegewebe der Stimmen immer wieder wunderlich. Sicherlich ist dieser Effekt gewollt – ob er letztendlich überzeugt, darüber kann man sicher trefflich streiten.

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