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Kammermusik mit konzertanter Geste

MAINZ (17. August 2010). Wer wagt, gewinnt: Mut bewiesen die Organisatoren des Mainzer Musiksommers, als sie das Konzert im Kreuzgang von St. Stephan am geplanten Ort stattfinden ließen und nicht in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den regenschweren Wolken ins Kircheninnere auswichen. Aber es blieb trocken, was ja vielleicht auch an der „Windstärke“ der Künstler lag: Die Bläserinnen des „Quintette Aquilon“ schienen die Wolken charmant in Schach zu halten.

Munter und gediegen begann die gotisch überdachte Freiluft-Soiree mit den bekannten Melodien der Ouvertüre zu „Il barbiere di Siviglia“ von Gioacchino Rossini (1792-1868) in einer Bearbeitung von Joachim Linckelmann. Trotz des knatternden Rettungshubschraubers, obligaten „Überfliegern“ und partiellen Lichtausfalls gelang es den Gästen, die Vorzüge dieser (Ende des 18. Jahrhunderts als „Banden mit blasenden Instrumenten“ verschrienen!) Besetzung mit beschwingter Leichtigkeit zu präsentieren. Nicht umsonst errangen sie bereits 2006 als erstes französisches Bläserquintett den ersten Preis des ARD-Musikwettbewerbs.

Das Bonmot Goethes, nach dem ein Streichquartett sein Ebenbild in einem „Gespräch zwischen vernünftigen Leuten“ findet, lässt sich ohne Abstriche auch auf das „Quintette Aquilon“ anwenden, wenngleich die „gesprochenen Dialekte“ diese „Unterhaltung“ ungleich spannender machen.

Es sind die verschiedenen, nicht zuletzt baubedingten Klangcharaktere von Flöte, gespielt von Sabine Raynaud, Oboe (Claire Sirjacobs), Klarinette (Stéphanie Corre), Horn (Marianne Tilquin) und Fagott (Gaëlle Habert), die so exemplarisch in Sergei Prokofjews „Peter und der Wolf“ dargestellt sind und die den Reiz des Bläserquintetts ausmachen. Statt des Russen standen jedoch Komponisten wie Antonio Vivaldi (1678-1741) und Guiseppe Maria Cambini (~1746-1825) auf dem Programm.

Hier vermischte sich die stilistische Breite mit den Möglichkeiten aparter Klanglegierungen, die das „Quintette Aquilon“ in Entsprechungen und Ergänzungen ihrer changierenden Tonspektren amüsant wiedergab: Heiter, mit verzierten, kecken Läufen sowie lasziv-ironischen Ritardandi gelangen die Allegro-Sätze im Bläserquintett Nr. 1 D-Dur op. 124 von Giulio Briccialdi (1818-1881) und sanft kam das Andante im Mittelteil daher.

Bei Vivaldis Triosonate Nr. 2 e-moll op. 1 (RV 67) tupfte das Fagott den Bass unter die verspielt leichte Linienführung von Flöte und Oboe, während der Sprung in die Moderne mit dem „Piccolio Quintetto“ von Francesco Chiari (*1958) eine vielschichtige Melange aus Kammermusik und konzertanter Geste mit pointierter Rhythmik, kapriziösen Einwürfen und jäh durchbrochenen Stimmungen bot.

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