Festival freut sich auf Jubiläumssaison
OESTRICH-WINKEL (20. Februar 2017). War es nicht erst gestern, dass das Rheingau-Musik-Festival seinen 25. Geburtstag feierte? Geht man im Schnitt von 150 Veranstaltungen aus, die hier pro Saison angeboten werden, feiert das Festival 2017 rund 750 Konzerte später bereits sein 30. Jubiläum. Und in diesem „Sommer voller Musik“, der vom 24. Juni bis zum 2. September geht, kommen an 42 Spielstätten erneut wiederum 155 dazu.
Das Motto der Jubiläumssaison lautet „Aufbruch“ und wendet den Blick dabei nicht nur nach vorn, sondern auch zurück: Das Programmheft informiert über die einzelnen Konzerte und lässt den Blick in Wort und Bild auch über 30 Jahre Festival-Geschichte schweifen – eine spannende und gleichsam unterhaltsame Zeitreise, in der Intendant Michael Herrmann an besondere Ereignisse erinnert und unterstreicht, dass sich das von ihm einst als „One-Man-Show“ gegründete Festival mittlerweile zu einem mittelständischen Unternehmen mit begeisterten Teamplayern (und einem rund 3500 Mitglieder starken Förderverein) gemausert hat.
Eine „haptische Beobachtung“ am Rande: Man hat keine glatten Hochglanzbögen mehr zwischen den Fingern, sondern ungestrichenes Papier, das sich sehr viel angenehmer greifen lässt. So macht es doppelt Spaß, diese 130 Seiten zu lesen – auch hier herrscht also Nachhaltigkeit.
Da sind die diesjährigen Schwerpunkte: der Pianist Igor Levit als Artist in residence, die Sopranistin Anna Lucia Richter sowie der Jazz-Musiker Michael Wollny – jeweils an mehreren Abenden mit verschiedenen Programmen und in der persönlichen Gesprächsreihe „Rendezvous mit…“ präsent. Dazu gibt es eine Vielzahl an Konzerten verschiedener Stilrichtungen: Sinfonie und Chor, Kammerensemble und Solo-Rezital, Alte und Neue Musik, Gesang, Jazz, Weltmusik, Theater und Kabarett – traditionell mit arrivierten Künstlern, großen Namen und jungen Talenten, die, ganz dem Leitgedanken „Aufbruch“ verpflichtet, in der Reihe „Next Generation“ auftreten. Die Konzerte, die unter „Expedition Sound“ zusammengefasst sind, werden scheinbare Gegensätze aus unterschiedlichen Musikkulturen, -genres und Ensembles zusammenbringen. Allein die Rubrik „Weitere Programmhöhepunkte des 30. Festivalsommers“ füllt übrigens fünf Seiten der Pressemappe.
Als besonderer Akzent sticht in diesem Jahr das Thema Tanz hervor: Musik, die tanzt und solche, die vertanzt wird. Damit soll auf verschiedenste Art dem engen Verhältnis zwischen den beiden Künsten nachgespürt werden, wodurch laut Festival-Dramaturg Timo Buckow eine universelle Sprache entsteht. So tritt im Rheingau das Bundesjugendballett mit der Produktion „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry auf, der französische Harfenist Xavier de Maistre entfacht mit der mexikanisch-spanischen Kastagnetten-Künstlerin Lucero Tena ein mediterranes Klangfeuer oder die Hamburger Ratsmusik zelebriert die Tanzmusik aus der Zeit des Sonnenkönigs Ludwigs XIV.
Besonders spannend sind die „Erinnerungen an Prades“: In den 1960er Jahren hatte der spanische Cellist Pablo Casals in seinem „Exil“ im französischen Prades (er war vor dem Faschismus in seiner Heimat geflüchtet) ein Musikfestival gegründet, das Michael Herrmann seinerzeit begeistert besuchte. Und sich inspirieren ließ, so etwas auch im Rheingau zu wagen: 24 Jahre später war es dann soweit. Im 30. Jubiläumsjahr des Festivals werden von verschiedenen Künstlern vier Originalprogramme des französischen Vorbilds aus den Jahren 1964 und 1966 aufgeführt. Die Schirmherrschaft der Reihe liegt dabei in den Händen von Marta Casals Istomin, der Witwe Pablo Casals.
Dass das Festival in seinem 30. Jahr nicht in Routine erstarrt ist, zeigt indes eine weitere Auffälligkeit: Hatte man im Rheingau in den vergangenen Jahren sich rundende Geburts- oder Todestage großer Komponisten stets genutzt, um einen entsprechenden Werke-Kanon aufzuführen, verzichtet man im Jubiläumsjahr darauf. Liebhaber der Musik Telemanns (250. Todestag) und Monteverdis (450. Geburtstag) mögen dies zwar bedauern, doch begründet Dramaturgin Lisa Ballhorn die Entscheidung damit, dass sich auch nach eingehender Prüfung in diesem Fall keine Angebote hätten arrangieren lassen – schließlich müssten Programme und Akteure immer auch zum Anspruch des Festival passen. Eine generelle Abkehr von derartigen „Gedenkkonzerten“ ist indes nicht zu erwarten: „Spätestens im Jahr 2020 wird sich das wieder ändern“, versprach Intendant Herrmann im Hinblick auf den sich dann zum 250. Mal jährenden Geburtstag Ludwig van Beethovens.
Kontinuierlich fortgesetzt wird hingegen die Reihe „Konzertführer live“ mit Werkeinführungen und Künstlergesprächen. Sämtliche Veranstaltungen im Wiesbadener Kurhaus sind mit diesem Angebot eine Stunde vor Konzertbeginn angereichert, auf Schloss Johannisberg wird der „Konzertführer live“ zu ausgewählten Darbietungen offeriert – insgesamt 16 Einführungen sind angekündigt.
Informationen zum Festival und Tickets gibt es unter http://www.rheingau-musik-festival.de.