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Tango im Kreuzgang

ELTVILLE (11. Juli 2013). „Le quattro stagioni“ stehen in der Gastronomie für leckeren Pizzabelag, in der klassischen Musik für das wohl bekannteste Stück des Barock aus der Feder Antonio Vivaldis: Jeder kennt „Die vier Jahreszeiten“, man kann sie als Klingeltöne für sein Handy herunterladen oder im Radio hören, wenn für Gartenmöbel geworben wird.

Dem Rheingau Musik Festival verhalf die Popularität dieser Musik einmal mehr zu einem ausverkauften Open air-Konzert im Kreuzgang von Kloster Eberbach, was sicherlich auch an der besonderen Werke-Konstellation lag, gab es doch „Die acht Jahreszeiten“ zu hören: Nach Vivaldi kam das Publikum durch „Las cuatro estaciones porteñas“ des 1992 gestorbenen Astor Piazzolla, mit denen er musikalisch durch die Jahreszeiten in Buenos Aires geleitet, in den Genuss eines geschmackvollen Stilbruchs. Statt beide Werke miteinander zu verschmelzen stellte das Kammerorchester Berlin unter der Leitung von Soloviolinistin Katrin Scholz jedes für sich und somit einen doppelten Kosmos vor.

Wie schon während des Freiluftkonzerts des Klarinettisten Jörg Widmann am gleichen Ort Tage zuvor stimmten auch bei Vivaldi die gefiederten Zaungäste kräftig mit ein und stahlen wegen ihrer akustischen Präsenz der Solistin fast schon ein wenig die Schau. Die nahm es hingegen mit Humor und als Anlass zum „Sängerwettstreit“: Das imitierte Vogelgezwitscher der drei Violinen im ersten Satz des „Frühlings“ geriet deliziös und im folgenden Largo wölbte sich Scholz‘ Spiel über das Gemurmel der Streicher und den strengen Grundton der Bratsche. Ob das vertonte Gewitter im sommerlichen Presto, die hauchzarten Nebelschwaden im Adagio des „Herbstes“ zwischen den überschäumenden Tanzsätzen, die die Berliner mit kunstvoller Rustizierung spielten oder das behagliche Largo des „Winters“: Hier waren die Künstler des Abends zuhause.

Gleiches galt indes auch für den Ortswechsel nach Argentinien: In seinen „Vier Jahreszeiten“, die nur durch die Wechsel zwischen Solo und Tutti an Vivaldi erinnern, lässt Piazzolla den von Tango, Jazz und zeitgenössischer Klassik beeinflussten „Tango nuevo“ erklingen. Kennt man Vivaldi in- und auswendig, gibt es hier viele Überraschungen: Da werden Kratzen auf der Geigensaite und Klopfen auf dem Schlagbass zum perkussiven Element, stürzen die Musiker in weite Glissandi hinab und setzen mit knallendem Sforzato Akzente. Auch hier spielte Katrin Scholz swingend-singend atemberaubende Soli und vollführte auf der elastisch-weichen Basslinie geradezu akrobatische Tonsprünge. In einem langgezogenen Decrescendo ging das Jahr noch einmal und damit ein gelungenes Konzert zu Ende.

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