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Berauschende Musik mit Suchtpotenzial

KIEDRICH (7. August 2013). Keine Frage: Das Rheingau Musik Festival begrüßt alljährlich die hochkarätigsten Ensembles gerade auch im Bereich barocker Klangkunst – doch wenn das Ensemble „Il Giardino Armonico“ zu Gast ist, verstummen sämtliche Vergleiche und alle Wünsche werden auf einen Schlag erfüllt.

Mit diesen Künstlern im „harmonischen Garten“, so die Übersetzung des italienischen Namens, die akustischen Pfade, die die Komponisten jener Epoche einst kunstvoll anlegten, zu beschreiten, ist einfach pures Vergnügen. Es gibt schlicht kein Orchester, das derart lebendig und formvollendet den Klängen der Vergangenheit sprühendes Leben einhaucht wie „Il Giardino Armonico“.

In Kloster Eberbach ließ der Künstlerische Leiter und Blockflötist Giovanni Antonini seine Musiker neben Werken Antonio Vivaldis und Georg Philipp Telemanns vor allem unbekanntere Perlen des Barock musizieren: Johann Heinrich Schmelzer, Heinrich Ignaz Biber, Giovanni Battista Fontana. Doch eigentlich ist es völlig gleich, was diese Künstler darbieten: Es klingt alles so unglaublich beseelt und man hört in jeder Sekunde, dass alle eines Geistes sind und sich unglaublich intensiv in die Musik einfühlen.

In der Ciaconna für zwei Violinen und Basso continuo von Terquila Merula meint man, verliebte Schmetterlinge umflatterten einander und Schmelzers D-Dur-Sonate für drei Geigen wird zur ironischen Brechung des Goethe-Zitats, dass „ein Streichquartett einer Unterhaltung vier vernünftiger Leute“ gliche: Im Terzett erklingen Argument und Gegenrede, Einwurf und Kommentar und im dicht geführten Mittelteil beweisen die Kombattanten überzeugende Einigkeit.

Zwei besondere Preziosen sind die beiden Konzerte Telemanns für zwei Schalmeien, einem seinerzeit bereits aus der Mode gekommenen Vorläufer der Klarinette: Die schnellen Sätze der wie die Blockflöte gespielten Instrumente erinnern denn auch eher an Jazz und Klezmer, während im Adagio des d-moll-Konzerts ein deliziöses Duett der beiden Solinstrumente von atemberaubender Schönheit erklingt.

Kleine Gesten haben hier größte Bedeutung: Harfenartige Arpeggien, seufzende Flautandi, jähe Sforzati und gehämmerte Martellati kolorieren die barocken Klänge, die Dynamik ist von erlesener Güte: Bei Merula tastet sich die Laute aus dem Nichts in die Ciaconna hinein und verflüchtigt sich am Ende wieder ins Ätherische. Auch im kontrastreich diminuierten Pianissimo sind die Streicher noch präsent und man bewundert den Mut der Musiker: „Il Giardino Armonico“ testet die Grenzen des Herkömmlichen aus und entdeckt dabei wunderbare, neue Klangwelten.

Und nicht erst mit Antoninis auf der Piccoloblockflöte intoniertem Largo aus Vivaldis C-Dur-Konzert (RV443) in der Zugabe erlebt der Hörer einen süßen Rausch, aus dem er ohne Kater erwachen darf – das Suchtpotenzial solchen Musizierens hingegen ist umso größer.

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