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Konzertanter Gottesdienst

KIEDRICH (13. August 2014). Noch immer ist die Erinnerung an die „Romantische Chornacht“, zu der das Rheingau Musik Festival 2013 nach Wiesbaden einlud, hellwach. Musizierte damals Thomas Hengelbrock mit seinem Balthasar-Neumann-Chor, war es in diesem Jahr der RIAS Kammerchor unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann.

Ein Vergleich empfiehlt sich kaum, denn die programmatische Ausrichtung war eine gänzlich andere: War es im vergangenen Jahr neben dem exzellenten Chorklang auch die Wechselwirkung zwischen gesungenem und (von Johanna Wokalek) gesprochenem Wort, so glich die „Romantische Chornacht“ in Kloster Eberbach mit geistlichen Werken von Anton Bruckner, Johannes Brahms und Felix Mendelssohn Bartholdy einer der Würde des Ortes bewusste Andacht.

Und die feierten die Künstler des Abends vor allem im Gedenken eines großen Kollegen: Am Tag des Konzerts war der niederländische Flötist Franz Brüggen im Alter von 79 Jahren gestorben. Ihn wollte man als Pionier der historischen Aufführungspraxis ehren.

Wie von ferne flackerte leise Bruckners „Ave Maria“ auf, das die Frauenstimmen intonieren und das in der dynamischen Reprise der Männer sein Echo findet. Wunderbar blühte der Klang auf und innig umarmte er den Zuhörer. Mit dem „Os justi“ luden die Sänger zu einem wohligen Bad in der packenden Modulationssprache Bruckners ein und das schlichte „Locus iste“ drückte das aus, was man empfindet, wenn in den Mauern von Kloster Eberbach solche Musik erklingt: „Dieser Ort ist von Gott geschaffen, ein unschätzbares Geheimnis, kein Fehl ist an ihm.“

Und so passte auch die Motette „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen“ hier perfekt: Der anfänglichen Meditation über die gestellte Frage folgte eine musikalische Exegese, die wie eine einleuchtende Predigt gesungen wurde. Nicht nur die samtig oktavierenden Bässe, sondern auch die anderen Register schufen einen flächigen Klang, der einen in das Grübeln über die immer wieder eruptiv gesungene Frage des „Warum?“ hineinzog.

Doch dann ein Mendelssohn, der den Hörer zunächst eher ratlos zurück ließ: Hatten Rademann und der RIAS Kammerchor bislang vollkommen nachvollziehbar musiziert, ging der Dirigent in den Psalmen „Warum toben die Heiden“ und „Richte mich Gott“ agogisch äußerst seltsame Wege. Wo der Text verweilen will, nahm Rademann Fahrt auf und wo Tempo gefordert wäre, ließ er wie mit angezogener Handbremse singen. So fiel die Interpretation als nicht sehr kurzweiliges Spiel zwischen Hatz und Zähigkeit aus. Seltsamerweise geriet Psalm 22 dann wieder gänzlich überzeugend: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ fragte der Solo-Tenor und eröffnete mit der verzweifelten Frage eine geradezu schon plastische Schilderung des dramatischen, immer wieder von Soli und Tutti wechselnd gesungenen Bibelworts.

Der zweite Teil des Konzerts war dann tatsächlich ein gesungener Gottesdienst: Mit Bruckners „Bläsermesse“ Nr. 2 e-moll in der Erstfassung von 1866 griff der Chor die Innigkeit der Motetten des Konzertbeginns erneut auf und schuf gemeinsam mit den Bläsern der Akademie für Alte Musik Berlin ein ergreifendes Klangerlebnis, das die Vielschichtigkeit des Werkes schimmernd widerspiegelte. Vokalisten und Instrumentalisten agierten hier als homogene und transparente Einheit, die sowohl die introvertierten als auch die jubelnden Passagen der Musik überzeugend lebte. Die auf das finale „Dona nobis pacem“ folgende verhaltene Stille wurde schließlich durch lang anhaltenden Beifall gefüllt.

Das von Deutschlandfunk und hr2-Kultur mitgeschnittene Konzert wird zu einem späteren Zeitpunkt gesendet. Eine Liveübertragung konnte man im Internet auf http://concert.arte.tv/de verfolgen; der Beitrag wird hier laut Redaktion in Kürze für einen längeren Zeitraum abrufbar sein.

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