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Uniformer Bach

KIEDRICH (14. Juli 2018). Für viele Menschen gehört Bachs Weihnachtsoratorium zur Adventszeit genauso wie eine seiner Passionen in die Wochen vor Ostern. Fast könnte man also denken, das Rheingau Musik Festival habe da eine weitere, regionale Tradition begründet: Zwar nicht jedes Jahr, aber mit erfreulicher Regelmäßigkeit tauchen Bachs „Goldberg-Variationen“ im Programm auf.

Abgesehen davon, dass man sich an diesem genialen Klangkompendium ohnehin schwer wird satthören können, lernt man hier immer wieder neue Interpretationsansätze kennen, wobei es da fast schon zweitrangig ist, ob man nun aus einem dieser Konzerte beseelt oder eher enttäuscht nach Hause geht: 2011 hörte man Martin Stadtfeld, zwei Jahre später Simone Dinnerstein, 2014 begeisterte Konstantin Lifschitz, 2015 Kit Armstrong.

Nun freute man sich eigentlich auf die 24-jährige Pianistin Mariam Batsashvili, die sich im Vorfeld jedoch bedauerlicherweise einen Bandscheibenvorfall zugezogen hatte. Und so geriet das Festivalbüro kurzzeitig in Wallung, um binnen 72 Stunden Ersatz zu finden. Batsashvili hatte BVW 988 eigens für ihr Konzert im Laiendormitorium von Kloster Eberbach einstudiert, womit der Auftritt ein doppeltes Debüt gewesen wäre. Also war man gespannt auf den ungarischen Pianisten Dániel Villányi, der mit der Künstlerin in Weimar studiert und laut Veranstalter mit den „Goldberg-Variationen“, seinem Examensstück, bereits erfolgreich konzertiert hat.

Dies war ihm im Rheingau so nun leider nicht beschieden, obgleich Villányi interessante Ansätze wählte. So spielte er den Steinway ohne jedweden Pedaleinsatz, um sich wohl möglichst wenig vom Originalklang des Cembalos zu entfernen. Natürlich verleitet gerade der Hall dazu, Bach etwas zu romantisieren, wobei man dies ja ohnehin mit der Wahl des Flügels bereits ein Stück weit tut. Das wollte Villányi offenbar vermeiden. Gut.

Mochte man in der Aria den ruhigen Fluss des linearen Spiels goutieren, vermisste man alsbald jedoch eine agogisch und dynamisch differenzierte Ausgestaltung. Auch sorgte der penetrant harte, fast schon trotzige Anschlag für wenig Kurzweil. So gerieten die eigentlich unglaublich vielschichtigen Variationen über weite Strecken leider uninspiriert und austauschbar.

Man möchte dem Pianisten natürlich zugutehalten, dass er so kurzfristig für die erkrankte Batsashvili eingesprungen ist und sich wahrscheinlich ebenso rasch in das Werk wieder hat hineinfinden müssen. Daher mag man die nicht gerade unauffälligen Flüchtig- und Ungenauigkeiten auch keinesfalls überbewerten. Doch Villányis Interpretation war unterm Strich alles andere als ein Virtuosenstück, entbehrte der Kontur, blieb eindimensional und blutleer. Hoffentlich kommt Mariam Batsashvili in einer kommenden Saison in den Rheingau – ihr sei an dieser Stelle baldige Genesung gewünscht!

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